
Novi Sad: Kontroversen in der neuen Kulturhauptstadt Europas
DW
Novi Sad läutet das Jahr als Kulturhauptstadt Europas mit einem Open-Air-Spektakel ein - und mit Kontroversen. Stadt und Organisatoren sind stolz, Vertreter der freien Kunstszene sehen das Event äußerst kritisch.
Die nordserbische Stadt Novi Sad am Abend des 13. Januar 2022 um exakt 20.22 Uhr: Hunderte Balletttänzer, Sänger und Akrobaten sowie eine traditionelle serbische Blaskapelle eröffnen offiziell das Jahr Novi Sads als Kulturhauptstadt Europas. Als erster Ort außerhalb der Europäischen Union ist die 250.000-Einwohner-Stadt an der Donau in den kommenden zwölf Monaten kulturelles Zentrum des Kontinents - zusammen mit Kaunas in Litauen und Esch an der Alzette in Luxemburg.
Unter dem Motto "Für neue Brücken" sind rund 3000 Ausstellungen, Konzerte, Ballettaufführungen und andere Kulturveranstaltungen geplant. Ein Aspekt, den die Stadt dabei betont, ist ihre reiche multiethnische und multikulturelle Geschichte - in Novi Sad leben seit Jahrhunderten Serben, Kroaten, Ungarn, Rumänen, Juden, Deutsche und viele andere. Und: Als Vermächtnis soll das Jahr als Kulturhauptstadt Europas in Novi Sad eine kulturelle Infrastruktur hinterlassen, die das gesamte kulturelle Leben dort langfristig verbessert.
Doch so schön das klingt, so überschattet ist das Event Kulturhauptstadt-Jahr von Kontroversen. Es geht um Konflikte zwischen den Organisatoren und der freien Kunstszene, um intransparente Ausgaben und um die Frage, wie nachhaltig das Jahr 2022 für Novi Sads Kultur wirklich wird.
"Wir haben dieses Jahr nicht vorbereitet, damit der Zirkus anschließend wieder aus unserer Stadt verschwindet", sagt Nemanja Milenkovic, Direktor der Stiftung "Novi Sad - Kulturhauptstadt Europas", der DW. Seine Institution habe von Anfang an versucht, das Kulturhauptstadt-Jahr zur dauerhaften Verstärkung der lokalen Kulturkapazitäten zu nutzen - also genau darauf zu achten, was am Ende davon in der Donaustadt bleibe. Milenkovic betont beispielsweise, dass Novi Sad bereits eine neue Musik- und Ballettschule sowie einen neuen Konzertsaal erhielt und bis Jahresende noch Kulturinvestitionen in zweistelliger Millionenhöhe folgen sollen.
Die erste Auszeichnung für in den Vorbereitungsjahren begonnene Maßnahmen hat die Stiftung bereits erhalten. Ende 2021 zeichnete die Berliner Causales GmbH, eine der führenden Agenturen für Kulturmarketing und Kultursponsoring in Europa, Novi Sad mit dem Titel "Beste europäische Trendmarke im Kulturbereich" aus. Der Preis würdigt neue "Kulturstationen" - alte, bis dahin leerstehende Fabriken und Lagerhäuser, die für Ausstellungen und andere Kulturveranstaltungen nutzbar gemacht wurden - sowie das Festival "Kaleidoskop der Kultur" und das Begrüßungsprogramm "Empfang".
