Neues von der Omikron-EM
Süddeutsche Zeitung
Kuriose Ergebnisse, mehr als 100 Infizierte, vorzeitige Rückreise der Spieler per Krankentransport: Die Handball-Europameisterschaft verkommt zu einem unwürdigen Ereignis.
Nach allem, was man in zwei Jahren Corona-Pandemie gelernt hat, ist die Handball-Europameisterschaft in Ungarn und der Slowakei ein Superspreader-Event, das diesen Namen ehrlich verdient. 70 infizierte Profis hat die Europäische Handballförderation (EHF) bisher vermeldet, wohl gemerkt ein Zwischenstand, die EM läuft noch bis kommenden Sonntag, täglich kommen neue Meldungen hinzu. Schon vor Turnierbeginn gab es 30 Fälle, als die teilnehmenden Nationen in Testspielen am Feinschliff arbeiteten. In Summe also 100 positive Handballer, Tendenz steigend.
Das deutsche Team hat am Wochenende mit dem Rücktransport der ersten infizierten Spieler begonnen. Da war noch nicht einmal klar, dass das Halbfinale verpasst war. Keine andere Mannschaft hat es härter erwischt bei dieser Omikron-EM: 15 Profis, plus Co-Trainer und zwei weitere Delegationsmitglieder. Sechs Spieler sind bereits zu Hause angekommen, per Krankentransport mit medizinisch geschultem Fachpersonal. Andere Infizierte bleiben noch in Quarantäne, wie Patrick Wiencek und Simon Ernst, die am Montag einen positiven Testbefund bekamen.
Positiv, negativ und jetzt doch ein positiver Test: Der Rückraumspieler muss bei der EM in Quarantäne - im deutschen Lager können sie sich die neuerlichen Corona-Fälle nicht erklären. Von Carsten Scheele
Der Rest der Mannschaft fliegt nach dem letzten Spiel am Dienstag gegen Russland (18 Uhr, ZDF) per Chartermaschine zurück, die Frage wird sein, welche Delegation die größere ist: die der Infizierten oder die der Gesunden. "Mir tut es leid für jeden, der bei diesem Turnier mit dabei ist", sagte Sportvorstand Axel Kromer in einem ersten Resümee.
Die unlösbare Frage bleibt indes, wie das Virus überhaupt in die Mannschaft gekommen ist. Schon bei den Testspielen vor der EM? Im Hotel in Bratislava, wo weitere Mannschaften untergebracht waren, unter anderem die Polen, die vor Turnierstart zahlreiche Fälle zu beklagen hatten? In der Halle? Obwohl das gesamte deutsche Team durchgeimpft und geboostert angereist ist und teils selbst auferlegte strikte Hygienemaßnahmen eingehalten wurden, sind Stand jetzt nur vier Spieler aus dem ursprünglichen 17er-Kader verschont geblieben: Kapitän Johannes Golla, Mittelmann Philipp Weber, Rückraumspieler Julian Köster und Rechtsaußen Lukas Zerbe. Vier von 17 - was für eine Bilanz.