Moskau erteilt Deutscher Welle Sendeverbot
Süddeutsche Zeitung
Der Kreml reagiert damit auf das Aus für den russischen Staatssender RT hierzulande. Die Auseinandersetzung erhöht die Spannungen vor dem Besuch von Kanzler Scholz bei Präsident Putin.
Inmitten der Krise um den russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine haben die bilateralen Beziehungen zwischen Russland und Deutschland einen neuen Tiefpunkt erreicht. Die russischen Behörden erteilten dem deutschen Auslandssender Deutsche Welle (DW) am Donnerstag ein Sendeverbot. Zudem verfügte das russische Außenministerium die Schließung des DW-Büros in Moskau und den Entzug der Akkreditierungen der Journalisten. Damit reagiert Russland auf ein Sendeverbot des deutschsprachigen Programms seines Staatssenders RT, früher als Russia Today bekannt.
Die Kommission für die Zulassung und Aufsicht (ZAK) bei den Medienanstalten hatte das Sendeverbot für RT DE am Mittwoch verkündet und dies mit der fehlenden Sendelizenz begründet. Kremlsprecher Dmitrij Peskow sprach daraufhin von einem "Anschlag auf die Freiheit des Wortes". Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, kritisierte, dass die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) nichts zum Sendeverbot für RT DE sage und in diesem Fall nicht eintrete für die Medienfreiheit.
Das russische Außenministerium kündigte in einer Mitteilung außerdem weitere Schritte an. Befürchtet wird, dass die russischen Behörden auch gegen Korrespondenten weiterer deutscher Medien vorgehen könnten. Der Streit hatte bereits beim Antrittsbesuch von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in Moskau Anfang Januar eine Rolle gespielt. RT-Mitarbeiter könnten seit Jahren völlig ungehindert in Deutschland arbeiten, hatte Baerbock betont. Eine Sendelizenz erhalte RT nicht, weil es sich um einen Staatssender handele. Das gelte grundsätzlich und nicht nur für einen russischen Sender.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) rief Präsidenten Wladimir Putin auf, das Sendeverbot für die Deutsche Welle in Russland sofort aufzuheben. Außerdem müssten alle Journalistinnen und Journalisten des deutschen Auslandssenders ihre Akkreditierungen zurückerhalten. "Es gibt keinerlei Rechtfertigung für diese drastische Zensurmaßnahme", sagte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall. Mit dem Vorgehen gegen die Deutsche Welle folgen die Behörden einem Vorschlag von RT-Chefredakteurin Margarita Simonjan. Kritiker werfen RT, das weltweit in mehreren Sprachen ausgestrahlt wird, Kremlpropaganda und Desinformation vor.
Der Konflikt sorgt für zusätzliche Spannungen vor dem Antrittsbesuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am 15. Februar in Moskau. Wie zuvor bei Reisen nach Washington und Kiew sollen dabei die Bemühungen im Vordergrund stehen, die Gefahr eines russischen Angriffs auf die Ukraine zu bannen. Scholz will sich in die Krisendiplomatie stärker einschalten. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung empfängt er am kommenden Dienstag in Berlin den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron und den polnischen Präsidenten Andrzej Duda zu einem Krisen-Gipfel. Die drei Länder sind seit 30 Jahren im so genannten Weimarer Dreieck verbunden. Polen plädiert im Rahmen der Nato und der Europäischen Union für deutliche Abschreckungssignale an Russland.