
"Mit Rostock-Lichtenhagen verbinde ich entgrenzte Gewalt"
n-tv
Im August 1992, vor dreißig Jahren, setzt ein rechtsextremer Mob das Sonnenblumenhaus in Rostock-Lichtenhagen in Brand. Nachbarn und Zugereiste jubeln, während im Haus mehr als 100 Menschen um ihr Leben fürchten. Als junge Europaabgeordnete fährt Claudia Roth kurz nach Beginn der Ausschreitungen dorthin – gemeinsam mit ihren Eltern. Wie blickt die Grünen-Politikerin heute auf die Ereignisse in der Hansestadt?
ntv: Können Sie sich an den Moment erinnern, in dem Sie davon erfahren haben, was da in Rostock-Lichtenhagen passierte?
Claudia Roth: Ich habe in den Nachrichtensendungen davon gehört und vor allem die Bilder aus Rostock gesehen, diese Bilder, die einem so fremd und so unvorstellbar vorgekommen sind. Wie in einem Film, in dem es um Lynchen geht - grauenhafte Bilder von einem schreienden Mob, der billigend in Kauf nehmen will, dass Menschen verbrannt werden. Es war die pure, die schiere, die grauenhafte Aggression. Bilder von Menschen, die um ihr Leben Angst haben mussten, die sich nur mithilfe von einem wunderbaren, mutigen Mann, von Herrn Richter, überhaupt in Sicherheit bringen konnten, wobei auch sein Leben in Gefahr war. Die werde ich nie vergessen. Das sogenannte Sonnenblumenhaus, wo Vertrags-Arbeitnehmer und -Arbeitnehmerinnen waren, die um ihr Leben fürchten mussten, weil gezielt mit Flaschen mit Brennstoff auf das Haus gezielt wurde. Das war fürchterlich. Das war ein Anschlag auf Menschen in unserer Mitte. Es war offener, grausamer, hässlichster Rassismus, der bereit war, Menschen zu töten.
(Wolfgang Richter war damals Ausländerbeauftragte der Stadt Rostock. Er erlebte den Brandanschlag im Sonnenblumenhaus und musste selbst über das Dach des Gebäudes fliehen.)
