Militärputsche in Westafrika: Armut und Enttäuschung sind die Folge
Frankfurter Rundschau
In der westafrikanische Sahel-Zone scheitern gewählte Regierungen beim Versuch, Gewalt durch militante Gruppen und Banden einzudämmen.
Ouagadougou/Berlin - Als 2015 aufständische Soldaten in Burkina Faso die Regierung stürzen wollten, war Marcel Tankoano einer von vielen tausend Demonstranten, die auf der Straße erfolgreich die Junta zur Aufgabe aufforderten. Aber in der vergangenen Woche feierte Tankoano einen neuen Putsch, bei dem Militärs Präsident Roch Kabore stürzten. „Seit 1990 hatte es eine Welle der Demokratisierung in Westafrika gegeben“, begründet der Vertreter der Zivilgesellschaft dies heute. „Aber jetzt muss man klar sagen: Wir brauchen ein Militärregime.“
Sein Meinungswechsel ist stellvertretend für eine Enttäuschung, die sich quer durch die westafrikanische Sahel-Zone ausbreitet. Dort scheiterten gewählte Regierungen beim Versuch, Gewalt durch militante Gruppen und Banden einzudämmen, die in den vergangenen zehn Jahren tausende Menschen getötet und Millionen aus ihrer Heimat vertrieben hat. Im Tschad übernahm die Armee im April 2021 die Macht und setzte nach dem Tod von Präsident Idriss Deby einen Militärrat ein. In Mali war dann im Mai 2021 ein Putsch erfolgreich, ebenso wie in Guinea im September 2021. Nun folgte die Machtübernahme der Militärs in Burkina Faso - und ein Putschversuch in Guinea-Bissau mit etlichen Toten.
Zu der Enttäuschung über die demokratischen Regierungen haben auch Armut und Korruption in der politischen Führung beigetragen. „Sie können nicht nur eine Mahlzeit am Tag haben und über Demokratie reden“, sagt Tankoano. Es ist unklar, was die neuen Machthaber anders machen wollen - schließlich stehen auch ihnen nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung. Bei den in der Region im Antiterrorkampf aktiven USA und Frankreich wächst die Sorge, dass die Instabilität um sich greifen könnte. Dabei hatte auch die Bundesregierung wegen der Migrationsbewegungen Richtung Europa die Sahel-Zone mit besonderer Aufmerksamkeit bedacht und die wirtschaftlichen sowie militärischen Hilfen erheblich verstärkt.
„Die Menschen sind nicht gegen Demokratie als Prinzip, aber sie sind sehr enttäuscht von den gewählten Politikern“, sagt Maggie Dwyer, Expertin an der Universität Edinburgh, die Militärputsche in Westafrika untersucht hat. Allerdings, so betont Wolfgang Lacher von der Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP), gibt es auch andere Gründe für die Putschwelle. Er macht eine anfangs wohlwollende Duldung des ersten Umsturzes in Mali sowie im Tschad durch die internationale Gemeinschaft und besonders das in der Region tonangebende Frankreich mitverantwortlich. „Davon ging eine Signalwirkung aus.“
Der Umschwung in der Region begann, nachdem sich 2012 radikale Islamisten mit Al-Kaida-Verbindungen in Mali einem Aufstand der ethnischen Gruppe der Tuareg anschlossen. Das führte zu einer Niederschlagung des Aufstands mit französischer Hilfe, aber auch zu einer Welle tödlicher Anschläge ab 2015, die sich später nach Burkina Faso und Niger ausweiteten. Seither gibt es für die Menschen vor allem in ländlichen Gebieten angesichts der geringen Präsenz von Sicherheitskräften eine ständige Gefahr von Überfällen. Mangelhaft ausgestattete Armeen der Sahel-Staaten können sich trotz internationaler Militärhilfe kaum behaupten. In Burkina Faso etwa kam es im November zu größeren Protesten, nachdem 49 Militärpolizisten und vier Zivilisten nahe einer Goldmine im Norden des Landes getötet worden waren. Auch Tankoano war damals bei den Protesten verhaftet worden und seither überzeugt, dass Präsident Kabore gehen müsse.