Merz muss jetzt nach dem Fraktionsvorsitz greifen
Süddeutsche Zeitung
Ralph Brinkhaus will bisher nicht weichen. Wenn er dabei bleibt, wird er sein Amt unfreiwillig an den neuen CDU-Chef abgeben müssen.
94,6 Prozent für Friedrich Merz, das ist nicht nur ein eindrucksvolles Ergebnis - Angela Merkel kam bei ihrer letzten Wahl an die CDU-Spitze lediglich auf 89,5 Prozent. Es ist auch das Ende einer langen Führungskrise in der Partei. Annegret Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet schafften es nur in Stichwahlen an die CDU-Spitze. Sie hatten nie die Autorität, die nötig gewesen wäre, um ihre Rolle auszufüllen. Merz hat jetzt die erforderliche Autorität. Er hat damit die Chance, die Partei endlich zu befrieden. Aber die 94,6 Prozent sind auch der Beginn der nächsten Auseinandersetzung - nämlich der um den Vorsitz der Unionsfraktion. Soll Ralph Brinkhaus Fraktionschef bleiben, oder soll Merz auch dieses Amt übernehmen?
In den vergangenen Wochen haben fast alle CDU-Granden erklärt, man könne Partei- und Fraktionsvorsitz zwar trennen. Dies setze aber voraus, dass sich die Beteiligten blind verstehen und absolut vertrauen. Es sei an Merz und Brinkhaus, eine einvernehmliche Lösung zu finden.
Dass das den beiden bis heute nicht gelungen ist, zeigt jedoch, dass sie sich nicht ausreichend verstehen und vertrauen. Eine Trennung von Partei- und Fraktionsvorsitz wird unter diesen Bedingungen scheitern. Es muss jetzt also eine Entscheidung zwischen Merz und Brinkhaus geben.
Der größte Fehler der Unionsparteien im Wahlkampf war, monatelang auf eine einvernehmliche Lösung zwischen Armin Laschet und Markus Söder im Ringen um die Kanzlerkandidatur zu hoffen. CDU und CSU sollten diesen Fehler nicht wiederholen und diesmal schnell entscheiden - auch weil drei Landtagswahlen anstehen, bei denen CDU-Ministerpräsidenten um ihre Wiederwahl fürchten müssen. Ein andauernder Führungsstreit zwischen Merz und Brinkhaus würde die Chancen der Partei in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland schmälern. Und er würde den überfälligen Neubeginn in der CDU erschweren.
Ja, die Partei braucht ein Team an der Spitze, um reüssieren zu können. Es muss endlich wieder die ganze Breite der CDU sichtbar werden. Einer allein kann es nie richten. Aber in der Opposition muss man um Wahrnehmung kämpfen. Und die bekommt man im Deutschen Bundestag leichter als in der CDU-Zentrale. Die Nummer eins der Partei muss deshalb auch Fraktionschef sein. Es hat ja Gründe, dass Helmut Kohl und Angela Merkel an der Spitze von CDU und Fraktion standen, als sie das Kanzleramt erobern konnten.