Meinung: Putins Kriegserklärung
DW
Der Herrscher im Kreml spricht der Ukraine ihre Eigenständigkeit ab und schickt Truppen nach Donezk und Luhansk. Lässt Europa ihm das durchgehen, ist ein großer Krieg unausweichlich, meint Frank Hofmann.
Jetzt geht alles ganz schnell: Russische Truppen besetzen einen Teil des zweitgrößten Flächenlandes Europas. Mit hoheitlichen Abzeichen am Revers. Nicht wie bereits in den vergangenen acht Jahren undercover, oder wie damals auf der Krim als anonyme "grüne Männchen". Nein. Wladimir Putin schickt offizielle Truppen als Besatzer in einen unabhängigen europäischen Staat, der UN-Mitglied ist - die Ukraine.
Das ist ein weiterer Bruch des Völkerrechts. Wie so viele davor. Das ist ein Bruch des Budapester Memorandums der KSZE von 1994, in dessen Folge die Ukraine freiwillig ihre Atomwaffen abgegeben hat. Die Unterzeichner Russland, Großbritannien und die USA verpflichteten sich im Gegenzug, die Souveränität und die bestehenden Grenzen der Ukraine zu achten.
Dass der neuerliche russische Einmarsch in die Ukraine diese Vereinbarung bricht, sollte ein Weckruf sein für die insbesondere in Deutschland verbreitete Auffassung, er, Putin, meine es doch nicht so. Doch, der meint das so! Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler aus der früheren DDR verstehen das übrigens genau so, wie es gemeint ist: als Kriegserklärung.
Am Montag hat Wladimir Putin seinem Volk und Europa, lässig mit schräger Krawatte und beiden Händen auf dem Tisch, allen Ernstes erklärt: "Die Ukraine ist nicht einfach ein Nachbarland. Sie ist integraler Bestandteil unserer Geschichte, Kultur und unseres spirituellen Kontinuums."
Spirituelles Kontinuum? Für Nicht-Eingeweihte: Es geht darum, dass die "Kiewer Rus", auf die sich das heutige nationalistische Russland bezieht, seinen gründungs-mythischen Ursprung in der Lavra, dem Höhlenkloster von Kiew, verortet.