
Meinung: Peking 2022 - Fragwürdige Olympische Spiele
DW
Wenig Vorfreude, noch weniger Zuschauer, kaum politische Prominenz, praktisch keine Bewegungsfreiheit und gar kein Schnee, dafür aber viel Kritik. Haben solche Winterspiele überhaupt eine Zukunft?, fragt Dagmar Engel.
Ob Thomas Bach, der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), sich selbst leid tut? Da muss er sich gemeinsam mit Chinas Staatschef Xi Jinping lächelnd den Fotografen stellen und von dem Machthaber ehren und preisen lassen. Xi Jinping trägt die Verantwortung für schwere Menschenrechtsverletzungen, für die Verfolgung, Internierung und Folter Hunderttausender Uiguren, dafür, dass in Hongkong die Demokratie abgewürgt wird und dafür, dass sein eigenes Staatsvolk die Wahrheit nicht erfährt, weil es weder Pressefreiheit noch freien Zugang zum Internet gibt.
Aber Thomas Bach kann da gar nichts machen: Gebetsmühlenartig weist er darauf hin, dass das IOC politisch neutral sei. Für die Bewertung der Menschenrechtssituation außerhalb der Olympischen Spiele habe das IOC kein Mandat. Ob ihm diese Argumentation hilft, wenn er abends in seinem Zimmer im Pekinger Luxushotel in den Spiegel schauen muss?
Xi Jinping zeigt dagegen wenig Zurückhaltung, wenn es um die Verknüpfung von Sport und Politik geht. Olympische Spiele sind die Gelegenheit für eine Propagandashow. Olympia ist das praktisch letzte Mittel an "Soft Power", das ihm angesichts weltweit wachsender Kritik noch bleibt. Also wurde ohne Rücksicht auf Kosten und Natur eine Wintersportregion aus dem Boden gestampft, die es vorher nicht gab und nach den Spielen auch nicht mehr geben wird. China ist eben keine Wintersportnation.
Jedenfalls noch nicht. 300 Millionen neue Wintersportler hat Peking bei seiner Bewerbung für die Winterspiele versprochen, ein Riesenmarkt. Mitte Januar verkündete Xi Jinping stolz, den Plan sogar übererfüllt zu haben: 349 Millionen neue chinesische Wintersportler gebe es jetzt. Falls das stimmen sollte - überprüfen lässt sich auch dieser angebliche Fakt in China nicht -, wäre das ein Segen für die weltweite Ski-Industrie, der es gar nicht gut geht: Sie leidet unter dem Klimawandel mit erkennbar weniger Schnee und darunter, dass Nachhaltigkeit für die Wintersportler des Westens eine wachsende Rolle spielt.
Doch wäre es zu kurz gesprungen, die Umsatzhoffnungen der Ski-Industrie als entscheidenden Grund für die Vergabe der Winterspiele an Peking zu nennen. Und auch die Einkünfte aus den Wettkämpfen für das IOC in Höhe von rund 1,5 Milliarden US-Dollar waren nicht entscheidend. TV- und Sponsorengelder hätte es auch an jedem Ort in einem Land gegeben, in dem die Menschenrechte beachtet werden und Demokratie herrscht.
