Meinung: Mogelpackung? Deutschland stoppt Nord Stream 2 - vorerst
DW
Die Bundesregierung hat die Genehmigung für Nord Stream 2 gestoppt. Tot ist die russisch-deutsche Gaspipeline damit nicht. Deutschland hält sich eine Wiederbelebung und damit eine Hintertür offen, meint Sabine Kinkartz.
Es klang wie ein Paukenschlag: Während in der Europäischen Union noch darüber diskutiert wurde, welche Sanktionen in welcher Reihenfolge gegen Russland verhängt werden sollten, legte Bundeskanzler Olaf Scholz den deutschen Beitrag auf den Tisch: Die Gaspipeline Nord Stream 2 soll nicht in Betrieb gehen. Der Genehmigungsprozess für das Projekt wird gestoppt.
Dafür ist nicht mehr als ein kleiner Verwaltungsakt nötig. Das Bundeswirtschaftsministerium zieht eine Analyse zurück, in der die Erdgasleitung als wichtig für die deutsche Versorgungssicherheit eingestuft wird. Ohne diese Einstufung darf die zuständige Behörde, die Bundesnetzagentur in Bonn, die Pipeline nicht zertifizieren, also für den Betrieb freigeben.
Das Ministerium werde "eine neue Bewertung der Sicherheit unserer Versorgung unter Berücksichtigung dessen vornehmen, was sich in den vergangenen Tagen verändert hat", fügte der Kanzler noch hinzu. Ein Satz, der es in sich hat. Zum einen gibt Scholz damit zu, dass er im Dezember falsch lag, als er behauptete, die Pipeline sei ein "privatwirtschaftliches Vorhaben" und der Genehmigungsprozess "ganz unpolitisch".
Zweitens lässt sich Scholz mit diesem Satz eine Hintertür offen. Denn man kann ihn auch so lesen, dass mit jeder Veränderung natürlich die Versorgungssicherheit neu bewertet werden kann. Sollte Russland einlenken, würde sich etwas verändern. Was also spräche dagegen, Nord Stream 2 dann doch zu genehmigen? Zumal die Pipeline fertig gebaut ist, also nur noch in Betrieb genommen werden muss.
Das dürfte vor allem den US-Amerikanern gar nicht gefallen. "Wenn Russland zum Beispiel mit Panzern und Truppen die Grenze zur Ukraine überquert, wird es Nord Stream 2 nicht mehr geben", hatte US-Präsident Joe Biden beim Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in Washington formuliert. Wie er das denn schaffen wolle, das Projekt sei doch unter deutscher Kontrolle, hatte ein Journalist nachgefragt. Antwort Biden: "Ich verspreche Ihnen: Das werden wir schaffen."