
Meinung: Die WM in Katar hat die Spaltung noch vertieft
DW
Sport und Politik haben nichts miteinander zu tun? Die WM in Katar hat genau das Gegenteil bewiesen – und die Gräben zwischen dem Westen und der arabischen Welt noch vertieft, schreibt Pascal Jochem.
Wenn der Ball erstmal rollt, dreht sich alles nur noch um Fußball. So lautete häufig das Kalkül der Gastgeber, so feierte Russland eine große Party als WM-Ausrichter 2018. Doch bei der Weltmeisterschaft in Katar kam es anders: Politische Themen und Nebengeräusche flimmerten über unsere Smartphones und TV-Bildschirme.
Im Schnelldurchlauf: Erst wollten einige Europäer mit der "One-Love"-Kapitänsbinde auflaufen, schreckten dann aber wegen einer möglichen Bestrafung durch die FIFA zurück. Die DFB-Elf setzte vor dem Anpfiff ein Zeichen mit der Hand vor dem Mund - gefeiert in der europäischen Presse, missverstanden im Nahen Osten. Hier Anfeindungen gegen israelische Reporter, dort die Fahne der Palästinensergebiete. Sie wehte überall in Katar - in den Straßen, im Stadion und sogar auf dem Spielfeld, stolz präsentiert von Spielern Marokkos. Einige Katarer und arabische Fans trugen sie auch am Arm als Replik auf die gescheiterte Idee der Europäer.
Iranische Spieler verweigerten vor dem ersten Spiel das Singen der Nationalhymne. Proteste eskalierten, westlich orientierte Exil-Iraner trafen auf Katars Sicherheitskräfte und iranische Regime-Anhänger. Und immer wieder Diskussionen um Regenbogen-Farben – erst verboten in den Stadien, dann doch erlaubt.
Das DFB-Aus, Messis letzter Tanz und Marokkos mitreißende Erfolge haben zwar auch sportliche Schlagzeilen geliefert. Doch die WM in Katar war politisch so aufgeladen wie kein anderes Turnier zuvor. Mehr Kampf der Kulturen statt völkerverbindendes Ereignis.
Und die FIFA ist daran gescheitert, all diese Themen zu moderieren und einzufangen. Als der israelisch-palästinensische Konflikt immer sichtbarer wurde, hat sie wie ein kleines Kind die Hände vors Gesicht gehalten und sich versteckt. Der Weltverband hat bei dieser WM weiter an Glaubwürdigkeit verloren.





