Marx nimmt Stellung zum Münchner Missbrauchsgutachten
Süddeutsche Zeitung
Nach der Vorstellung des Gutachtens, das ihn und seine Vorgänger im Amt schwer belastet, äußert sich Erzbischof Kardinal Marx zum ersten Mal ausführlich. Die Pressekonferenz im Livestream.
Erzbischof Kardinal Reinhard Marx äußert sich am Donnerstagvormittag erstmals nach Veröffentlichung des Münchner Missbrauchsgutachtens ausführlich zum Thema. Die in der vergangenen Woche veröffentlichte Studie, die sein Bistum bei der Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) in Auftrag gegeben hat, wirft ihm und seinen Vorgängern im Amt des Erzbischofs, Kardinal Friedrich Wetter und Joseph Ratzinger, Fehlverhalten im Umgang mit Missbrauchsfällen vor und geht von mindestens 497 Opfern und 235 mutmaßlichen Tätern aus - und von einem weit größeren Dunkelfeld.
Marx selbst hatte das Thema seiner Verwaltung überlassen, anstatt es zur Chefsache zu erklären. Trotz einer Einladung zur Veröffentlichung des Gutachtens am vergangenen Donnerstag nahm Marx die 1900 Seiten starke Untersuchung nicht selbst entgegen. Dies hatten seine Amtschefin Stephanie Herrmann und Generalvikar Christoph Klingan übernommen.
Missbrauchstäter werden geschützt, homosexuelle Paare rausgeschmissen. Dem hohen Klerus ist sein Wertesystem abhandengekommen - und es geht immer noch schlimmer. Kommentar von Annette Zoch
In einer ersten Reaktion kurz nach der Veröffentlichung hatte Marx die Opfer um Entschuldigung gebeten. "Ich bin erschüttert und beschämt", hatte er gesagt. Für ihn selbst hätten die Begegnungen mit Betroffenen eine "Wende" bewirkt. Die Geschädigten stünden nun im Mittelpunkt. Man werde anhand der Empfehlungen des aktuellen Gutachtens weitere Veränderungen beraten und umsetzen. In einem offenen Brief hatte ihn ein Mitglied des Münchner Betroffenenbeirats dazu aufgefordert, die Verantwortung für die Schuld an den Verbrechen nicht länger anderen anzulasten.
Spekuliert wird, ob Marx dem Papst erneut - und damit zum zweiten Mal innerhalb weniger als eines Jahres - seinen Amtsverzicht anbieten wird. Der katholische Theologe Daniel Bogner sagte schon direkt nach der Vorstellung des Gutachtens, dass er nach all den Enthüllungen einen erneuten Rücktrittsversuch von Marx für angemessen hält. "Und ich hoffe, er wird eine erneute Ablehnung durch Papst Franziskus diesmal nicht akzeptieren. Dies wäre ein zwar zunächst nur symbolisches, aber sehr starkes Zeichen dafür, dass die bisherigen Strukturen der Kirche so nicht weiter funktionieren", sagte der Professor für Moraltheologie und Ethik an der schweizerischen Universität Freiburg.
