Mariupols letzte Verteidiger in russischer Gefangenschaft
ProSieben
Die verzweifelte Lage der letzten ukrainischen Kämpfer in Mariupol schockierte Menschen auf der ganzen Welt. Nun wurden einige von ihnen aus dem belagerten Stahlwerk evakuiert - und sind in russischer Gefangenschaft. Was geschieht jetzt mit ihnen?
Mit teils erhobenen Armen stehen Männer in Militärkleidung vor ihren Gegnern. Andere liegen verletzt auf Tragen, haben Verbände an Armen und Beinen, werden in spezielle Busse zum Abtransport gebracht. Im Hintergrund ist ein Industriegelände zu sehen. Viele der Männer haben lange Bärte, ihre Blicke wirken leer und erschöpft, kaum einer spricht. Das Video - veröffentlicht vom russischen Verteidigungsministerium - soll einige der ukrainischen Kämpfer zeigen, die sich nach wochenlanger Belagerung in der Hafenstadt Mariupol ergeben haben.
In Moskau ist am Dienstag von 265 Kämpfern - darunter 51 Schwerletzten - die Rede, die sich bis vor kurzem im Stahlwerk Azovstal verschanzt und nun ihre Waffen niedergelegt haben sollen. Kiew wiederum spricht von 264 Soldaten, die in die von russischen Truppen besetzte Ortschaft Oleniwka gebracht worden sein sollen. Was nun mit ihnen passiert, bleibt zunächst unklar. Kiew setzt auf einen Austausch gegen russische Kriegsgefangene, Moskau bestätigt das bislang nicht. Auch was mit den im Werk verbliebenen Soldaten passiert, bleibt abzuwarten.
Mariupol mit seinem Hafen am Asowschen Meer gilt als strategisch wichtig. Sollte Azovstal fallen, könnten Russlands Truppen wohl die Einnahme der Stadt feiern, die einst 400.000 Einwohner zählte. Mithilfe prorussischer Separatisten hatten sie Mariupol bereits kurz nach Kriegsbeginn Anfang März belagert und innerhalb einiger Wochen fast komplett erobert. Nach Angriffen auf ein als Luftschutzbunker dienendes Theater und das Gebäude einer Geburtsklinik wurde die mittlerweile völlig zerstörte Stadt international zum Sinnbild für die Grausamkeit des russischen Angriffskriegs.
Zugleich wurden die rund 1000 ukrainischen Soldaten, die Schätzungen zufolge weiter in den Bunkeranlagen von Azovstal ausharrten, zu Mariupols letzten Verteidigern. Immer wieder richteten sie dramatische Appelle an die Außenwelt, berichteten von Beschuss und vielen Verletzten, von zur Neige gehenden Medikamenten und Lebensmitteln. Die ukrainischen Truppen, die rund 100 Kilometer weit entfernt sind, hatten keine Möglichkeit, sie zu befreien. Immerhin die letzten Zivilisten, die sich ebenfalls in den Bunkeranlagen von Azovstal versteckt hatten, konnten kürzlich mit internationaler Hilfe gerettet werden.