Mariupol: Das drohende Desaster
DW
Keine Nahrung, keine Medikamente, kein Mobilfunknetz - die Versorgung in der ukrainischen Stadt Mariupol wird wegen des Krieges täglich schlechter. Ob die Anwohner nun endlich evakuiert werden können, ist ungewiss.
Die Lage in der von Russland belagerten ukrainischen Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer spitzt sich an Tag 13 nach dem Einmarsch weiter zu. Mittlerweile gebe es keine Straße mehr ohne kaputte Fenster, zerstörte Wohnungen oder Häuser, so ukrainische Behörden. Strom, Wasser und Gas sind bereits seit Ende Februar ausgefallen. Laut Bürgermeister Wadim Boitschenko hätten die russischen Truppen innerhalb von sieben Tagen die lebensnotwendige Infrastruktur der Stadt zerstört.
Die Stadt, die Stand 2018 rund 440.000 Einwohner hatte, ist strategisch gesehen von großer Bedeutung. Sie liegt nahe der sogenannten Kontaktlinie zwischen den prorussischen Separatisten und der ukrainischen Armee im Verwaltungsbezirk Donezk und ist eine wichtige Hafen- und Universitätsstadt. Zudem ist sie Standort großer Stahlwerke und anderer Industriebetriebe. Sollte Russland Mariupol erobern, hätte es eine Landverbindung zu der seit 2014 besetzten Krim geschaffen.
Koordinator Alex Wade von Ärzte ohne Grenzen Irland erklärte am Montag auf Twitter: "Unsere größte Sorge gilt derzeit Mariupol. Die Stadt wurde in den vergangenen Tagen heftig beschossen - sowohl im Zentrum als auch in den Randgebieten, dort ganz besonders."
Supermärkte wurden bei dem Beschuss getroffen und sind mittlerweile nahezu leer - genauso wie die Apotheken. "Menschen trinken mittlerweile Regenwasser oder geschmolzenen Schnee", so Wade. Teilweise würde das Wasser auch den Heizsystemen entnommen, um sich irgendwie die Hände waschen zu können.
Wade sieht in den kommenden Tagen eine "ernsthafte Notlage" und ein ein mögliches Desaster auf die Stadt zukommen. "Glücklicherweise hatten wir bereits Notfall-Medikamente im Land, die wir schnell an die Krankenhäuser spenden konnten." Diese Vorräte seien nun nahezu erschöpft. "Unsere oberste Priorität liegt von daher in der Beschaffung neuer Lieferungen, damit die Krankenhäuser die Verwundeten versorgen können."