Marc Brandenburg im Städel: Von der Idee des Einhüllens, des sich Versteckens
Frankfurter Rundschau
Die brillanten Zeichnungen, die jetzt das Städel Museum zeigt, lösen eine Fülle widersprüchlicher Gefühle aus. Von Sandra Danicke
Im ersten Moment wirkt das alles verkehrt. Schwarz ist weiß, und Weiß ist schwarz. Es kommt einem so vor, als stünde die Welt auf dem Kopf, als wären Gewissheiten nicht mehr das, was sie mal gewesen sind. Die Bleistiftzeichnungen von Marc Brandenburg, die jetzt im Städel Museum Frankfurt unter dem Titel „Hirnsturm II“ zu sehen sind, zeigen das, was ist, nur andersherum, als Negativbilder in Schwarz-Weiß. Jetzt müsste man sich eigentlich nur das Helle dunkel und das Dunkle hell vorstellen, denkt man, doch das Gehirn hinkt hinterher. Man kommt völlig durcheinander. Ist dieser Mensch nun ein Schwarzer? Ist er ein Weißer? Oder ist das schlichtweg völlig egal?
Marc Brandenburg selbst sieht nicht gerade aus wie ein typischer Preuße. Seine Haut ist dunkel. Sein Name klingt wie der einer historischen Landschaft im Osten Deutschlands und Westen Polens. Aber Marc Brandenburg schreibt sich mit C. Seine Kindheit verbrachte der Künstler, der eine deutsche Mutter und einen US-amerikanischen Vater hat, größtenteils in Texas; seit er zwölf ist, lebt er in Berlin.
Brandenburg wurde 1965 geboren. Ein Schwarzes Baby war damals in Deutschland noch etwas Kurioses, etwas, dem man im Zweifelsfall mit Argwohn begegnete. Zum Glück hat sich das heute geändert, denkt man. Aber so einfach ist es naturgemäß nicht. Wie Rassismus unser Gedankengut prägt, zeigt sich sehr eindringlich in einer Filmarbeit, durch die man hindurchmuss, bevor man zu den Zeichnungen gelangt. Auf drei Projektionsflächen sieht man Menschen in bunten Strickpullovern agieren. Auch ihre Köpfe und Hände stecken unter einer Strickschicht, die stereotype Erscheinungsformen darstellt: Asiate, Schwarzer, Weißer. Wer sich unter der Wollschicht, die auch als Schutz gedeutet werden kann, verbirgt, weiß man nicht. Es ist nicht einmal klar, ob es sich um Männer oder Frauen handelt. Trotzdem ist man geneigt, den Akteuren (Akteurinnen?) bestimmte klischeehafte Eigenschaften und Verhaltensweisen anzudichten. Brandenburg hat diese Szenen in Zeitlupe aufgenommen, was einerseits einen surrealen Effekt hat, andererseits Details intensiver wirken lässt.