Madonna-Entdecker Seymour Stein ist tot
DW
Seymour Stein war einer der Letzten seiner Art: Ein talentierter Musikproduzent, der auf sein Gehör vertraute. Er entdeckte Madonna, die Ramones, The Smiths und viele weitere, die nun Abschied nehmen.
Es sind Geschichten wie diese, die wie aus der Zeit gefallen klingen: Da liegt ein Musikproduzent mit Herzmuskelentzündung im Krankenhausbett, in Boxershorts und Unterhemd, eine Kanüle in der Nase und einen Tropf am Arm. Dieser Musikproduzent ist Seymour Stein. Sein Mitarbeiter hat Stein ungewöhnlichen Besuch mitgebracht ins Krankenhaus: Eine junge Sängerin. "Sie war ganz aufgetakelt in billigen Punk-Klamotten, die Art von Club-Kind, die auf einer Herzstation völlig fehl am Platz war", schrieb Musikmogul Seymour Stein später in seiner Autobiografie. Diese junge Sängerin war keine geringere als Madonna.
Und auch die die "Queen of Pop" erinnert sich an diesen schrägen Moment, der ihr Leben für immer verändern sollte. Anlässlich der Nachricht vom Tod Seymour Steins teilt sie ihren Teil der Geschichte auf Facebook: "Ich hatte meinen riesigen Ghettoblaster dabei und war bereit, meine Kassette für ihn abzuspielen. Er lächelte, als er mich sah und fragte mich, ob ich mit der Jungfrau Maria verwandt sei. Da wusste ich, dass wir uns verstehen würden", heißt es im Post.
Nachdem Madonna ihm ihren Song "Everybody" mehrmals vorgespielt hat, nimmt sie Stein noch am selben Tag bei seinem legendären Plattenlabel "Sire Records" unter Vertrag. 1982 war das. "Seymour hat mich nicht nur gehört, sondern auch mich und mein Potenzial gesehen. Dafür werde ich ihm auf ewig dankbar sein!", schreibt Madonna weiter.
Der US-amerikanische Produzent konnte wie kein Zweiter jene Potentiale intuitiv sehen und vor allem hören, die kurz vor ihrem Durchbruch standen. Er mühte sich nicht um bereits bekannte Musikgrößen, sondern suchte junge, neue Talente. So entdeckte er nicht nur die Ramones, sondern hatte auch das "Who-is-who" der New Wave-Szene der 1970er unter Vertrag: Die Talking Heads, The Pretenders, The Smiths und The Cure. Er soll gar den Begriff "New Wave" maßgeblich geprägt haben, nachdem er die Kampagne "Don't Call it Punk" ("Nennt es nicht Punk") gestartet hatte, um den abfälligen Stempel der Punkmusik loszuwerden.
Auch die Talking Heads zeigten sich dankbar auf Facebook: "Er war unser Champion. Er kämpfte tapfer für uns und blieb uns bis zum Ende treu." Manche Leute wie Seymour könnten eben einen Rohdiamanten erkennen. "Er bot uns einen Plattenvertrag an, nachdem er uns nur ein einziges Mal im CBGB (New Yorker Punk-Club, Anm.d.Red.) gesehen hatte, und bevor wir uns überhaupt bereit fühlten."