Märtyrer oder „Esel“: Novak Djokovic spaltet auch Serbien
Frankfurter Rundschau
Das Tauziehen um den in der ganzen Region sehr populären Novak Djokovic sorgt auch in den Bruderstaaten für Wellenschlag - doch nicht alle stehen an seiner Seite.
Melbourne - Selbst das Oberhaupt der serbisch-orthodoxen Kirche lässt das Schicksal des prominentesten Landessohns nicht ruhen. „Von der Not und den Heimsuchungen, durch die Du an Weihnachten gehen musst, wird morgen nur ein blasser Schatten bleiben“, so die tröstende Festtagsbotschaft von Patriarch Porifije an den in einem abgetakelten Hotel in Melbourne festsitzenden Titelverteidiger Novak Djokovic: „Mit Dir beten Millionen orthodoxer Serben.“
Die australische Einreiseposse um das Tennis-Ass hat dessen Heimatland mitten zur orthodoxen Weihnachtszeit erwischt. Die mediale Aufregung im Balkanstaat um die „Inhaftierung“ des Nationalhelden ist groß. Doch keineswegs alle Serben lassen sich aus der Festruhe bringen. Auch wenn der empörte Protestchor von Angehörigen und Politikern weltweit für aufgeregte Schlagzeilen sorgt.
Die aufgebrachtesten Töne im Djokovic-Clan schlägt Vater Srdjan an, der vermutet, dass die Tennis-Dominanz seines Sohnes schon seit Jahren viele „stören“ würde: „Sie wollen ihn zerstören, auf die Knie zwingen.“ Doch Serbien sei Novak und „Novak ist Serbien“, so der im Kosovo geborene Sportlervater. Sein Sohn habe „kein einziges Gesetz gebrochen“: „Erhebe Dich, freie Welt! Denn dies ist nicht nur ein Kampf für Serbien und Novak, sondern ein Kampf für Meinungs- und Redefreiheit, ein Kampf für Milliarden Menschen auf der Welt.“
Serbiens Medien erregen sich vor allem über die „Erniedrigung“ des nationalen Hoffnungsträgers, der wie ein Gesetzesbrecher in einem „schmutzigen Hotel voller Käfer“ gemeinsam mit Kriminellen und illegalen Immigranten interniert werde. „Schande – Novak verbringt Weihnachten im Gefängnis“, titelt verärgert das Webportal nova.rs. Der erst nach Bestätigung seiner Ausnahmegenehmigung zu den Australian Open gereiste Djokovic sei acht Stunden am Flughafen „malträtiert“ worden, ärgert sich das Portal der Zeitung Blic: „Obwohl er als gefährliche Figur etikettiert wird, die das Coronavirus übertragen kann, ist er paradoxerweise ausgerechnet in einem Gebäude untergebracht worden, das in Melbourne als Corona-Infektionsherd gilt.“
Auf der Welle der Empörung segeln im Wahljahr auch Serbiens nationalpopulistische Machthaber, zu denen der beliebteste Landessohn – im Gegensatz zu anderen Spitzensportlern – bisher auffällig Distanz gehalten und gemeinsame Aufnahmen stets vermieden hat: Kürzlich hatte der ökologisch bewegte Tennisstar selbst öffentlich deren Pläne zum Abbau von Lithium kritisiert.