Lucinda Williams singt Bob Dylan und die Rolling Stones: Die Kraft der Gassenhauer
Frankfurter Rundschau
Auch angesichts der Songs von Bob Dylan und der Rolling Stones bleibt sich Lucinda Williams treu.
Mit der sechsten Liedertafel hat „Lu’s Jukebox“ endgültige Vollständigkeit erlangt. Die Serie, 2021 in einem Nashville-Studio live in Szene gesetzt, beinhaltet eine Auswahl, die nun auf einem halben Dutzend Tonträgern überliefert ist und Notpfennige für darbende Musiklokale einspielen soll. Den abschließenden Baustein hat Lucinda Williams dem Schaffen einer uralten Institution gewidmet: „You Are Cordially Invited: A Tribute to The Rolling Stones“.
Das 16-Song-Paket überfliegt die 60-Minuten-Hürde mühelos, sich leidenschaftlich einkrallend in eine Ära, die der Rock & Pop-Historie viel Gutes ins Stammbuch gestanzt hat. Folgerichtig sucht die 69-jährige Südstaaten-Sängerin ihre steinernen Schmuckstücke zwischen 1965 und 1974 zusammen. Auch wer das Oeuvre von Jagger/Richards tausendfach in den Gehörgang gewuchtet bekam, kann sich des Zaubers einer rhythmisierten Wiederkehr nicht erwehren. Ach, möchte jemand tatsächlich die Kraft der Gassenhauer missen, all die innewohnenden Schrecken und Schönheiten?
Mit „Street Fighting Man“ hebt es also an – und dokumentiert, warum Mrs. Williams eine der schlagkräftigsten Bands auf dem Erdenrund hinter sich hat. Gitarrist Stuart Mathis (wahrlich ein Meister vor dem Herrn), Bass-Mann Steve Mackey, Trommler Fred Eltringham und Mehrfach-Talent Joshua Grange sind der großen Musikbox stets gewachsen, verleihen „Southern Soul“, 60er Country-Klassikern, sogar dem „Rockin’ Little Christmas“ frisch gebügelte Kontur. Den drei Tribute-Alben sowieso.
Und während die Buben den Karren mit allerlei Finessen auf Kurs und fern jeder Gefühlsduselei halten, gibt sich die Chefin vollends der vokalen Durchdringung hin. Es ist wundersam, wie ihr gedehnt verknoteter, schleppend zerklüfteter Southernschmirgel dem Bis-zum-Überdruss-Bewährten neue Facetten aufsteckt. Vor dem Jahrhundertriffmonster „Satisfaction“ kneift sie ebenso wenig wie vor der berüchtigten Sympathie-Bekundung für den Teufel. Beides gelingt übrigens famos.
Dass die Williams-Crew bei dem Fred-McDowell-Countryblues „You Gotta Move“ auf ureigenem Terrain ackert, war zu erwarten – dass sie dem tonnenschweren „Sway“ von 1971 eine neue Gewichtsjustierung mitgibt, ist eine Überraschung. Hören Sie nur, wie hier jenes „It’s just that demon life has got me in its sway“ stimmlich gerecht wird.