Leibgardisten-Denkmal in Darmstadt: Feldpost und Fotos aus den Weltkriegen sollen Aufklärung bringen
Frankfurter Rundschau
Im Rahmen des Forschungsprojekts zu den Darmstädter Leibgardisten-Regimentern werden Briefe und Tagebücher von Soldaten gesucht. Historiker gehen Hinweisen auf Kriegsverbrechen nach.
Im Ersten Weltkrieg spielten die Darmstädter Leibgardisten bei der Eröffnung der Schlacht von Verdun eine prominente Rolle, weil sie als Erste die französischen Verteidigungslinien durchbrachen. Im Zweiten Weltkrieg gehörten sie zum Deutschen Afrikakorps und kämpften unter Erwin Rommel, danach waren sie ab 1941 an der Ostfront, in Belarus und der Ukraine im Einsatz: Als Infanterieregiment 115 und verschiedene Nachfolgeregimenter wurden sie vielerorts eingesetzt.
Seit gut einem Jahr läuft ein von der Stadt initiiertes Forschungsprojekt zur Erinnerungskultur der Leibgardisten sowie zu ihrer mutmaßlichen Beteiligung an Kriegsverbrechen. Anstoß dazu gab ein seit Jahren schwelender Konflikt um die alljährliche Ehrung der Gefallenen am Leibgardistendenkmal durch Veteranenverbände unter Beteiligung von Angehörigen der Bundeswehr. Das 1928 von Heinrich Jobst erschaffene Denkmal – den sterbenden Löwen mit zwei Pfeilen in der Seite, der auf dem Friedensplatz neben der Schlossmauer steht – kennen sicher viele.
Jetzt bitten die Verantwortlichen des Kooperationsprojekts von Technischer Universität (TU) Darmstadt und Deutschem Polen-Institut Menschen in der Region um Hilfe: Sie sollen Dachböden, Schubladen und Schränke nach alten Dokumenten, Fotos oder Kriegstagebüchern durchforsten. Viele wüssten vielleicht, dass Vater oder Großvater in Darmstadt eingezogen worden sei, wüssten aber nicht, was die Angehörigen im Krieg erlebt hätten, sagt Projektleiter Ingos Eser vom Institut für Geschichte der TU. Deswegen seien die persönlichen Dokumente so wichtig. Sie böten die „Chance, die Perspektive von unten“ kennenzulernen.
Konkret geht es um die Regimenter 115, 226 oder 485 sowie Beteiligte, die an West- oder Ostfront, in Nordafrika oder Italien eingesetzt waren. Man wisse derzeit noch zu wenig und wolle Erkenntnisse über die Rolle der Menschen gewinnen, die den Leibgardisten angehörten, erklärt der Direktor des Polen-Instituts Peter Oliver Loew. Ein erster Hinweise auf Kriegsverbrechen kommt aus Speyer, wo derzeit Ermittlungsakten aus den 1960er Jahren gesichtet werden. Ein Offizier des Infanterieregiments 226 soll demnach den Befehl gegeben haben, sowjetische Kriegsgefangene zu erschießen. Auch wenn das Verfahren eingestellt wurde, könnte man Einblicke bekommen, was passiert sei.
Viele Jahrzehnte lang fanden am Leibgardistendenkmal regelmäßig Kranzniederlegungen statt. Teilnehmende trugen historische Uniformen, Militärmusik spielte, Regimentsfahnen wurden präsentiert, und die Bundeswehr war mit Abordnungen vertreten. Dagegen formierte sich vor einigen Jahren Protest. Das Bündnis gegen rechts und Friedensinitiativen kritisieren, die am Denkmal genannten Schlacht- und Einsatzorte stünden für den nationalsozialistischen Vernichtungskrieg. Und mit der Ehrung gefallener Soldaten würden Kriegs- und Besatzungsverbrechen verharmlost oder verschwiegen. Der Stadt wurde vorgeworfen, zu wenig für eine Aufarbeitung und Umgestaltung des Denkmals zu tun und zivilgesellschaftliche Impulse nicht aufzugreifen.