Krieg und Gewalt im Alltag
DW
Seit drei Monaten tobt der Krieg in der Ukraine. Im Nachbarland Polen bleibt das nicht ohne Auswirkungen. Krieg und Gewalt halten Einzug in Alltagskultur und Gesellschaft, meint DW-Gastautor Stanislaw Strasburger.
Ein Imbiss in Swinoujscie (Swinemünde), einem Städtchen an der polnischen Ostsee. Das Schnellrestaurant "Bei Oma Halinka" hat sich auf die berühmten Teigtaschen, polnisch Pierogi, spezialisiert. Ich fühle mich an meine eigene Oma erinnert. Ihre "Russischen Pierogi" liebte ich!
Jeder in Polen weiß, wie Russische Pierogi schmecken: Eine Füllung aus Kartoffeln, Quark und Zwiebeln, mit reichlich Pfeffer - lecker! Ich stelle mich in die Schlange zur Theke und plötzlich kommt die Überraschung: Auf der Menütafel ist das aufgedruckte "Russisch" vor dem Wort Pierogi überklebt worden. Jetzt heißt es: "Ukrainische Pierogi".
Laut polnischem Grenzschutz sind seit dem 24. Februar dieses Jahres 3,4 Millionen Geflüchtete aus der Ukraine nach Polen eingereist. Zusätzlich zu den bis zu 1,5 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainern, die dort schon vorher gelebt und gearbeitet haben. In der selben Zeit sind zwar auch etwa 1,3 Millionen ausgereist, doch das ändert nichts am Gesamtbild: Überall im Land hört man auf den Straßen, in Läden und Cafés Ukrainisch, Russisch oder dieses charmante Polnisch, dessen Melodie eine Mischung aus allen drei Sprachen ist.
Doch mit den Pierogi in dem Imbiss fällt mir noch etwas anderes auf: Der Krieg ist im Alltag angekommen. Er verändert das Konsumverhalten, prägt die Popkultur. Im Guten wie im Schlechten.
Kurz nach dem Imbissbesuch gehe ich zu einer Benefizveranstaltung junger ukrainischer Künstlerinnen und Künstler. Eine DJ in weitem T-Shirt mit Led-Zeppelin-Aufdruck spielt ukrainischen Neo-Folk. Man trinkt Bier, bewegt sich im Takt der Musik und grölt zwischen dem einen und dem anderen Stück "Ruhm der Ukraine! Tod den Feinden!"