Kommentar: Ein Vergehen an der olympischen Idee
Frankfurter Rundschau
Ein Argument pro Olympia und großem Sportevent in nicht gut beleumundeten Regionen war stets: Die Welt zu Gast. Das kann für Peking 2022 nicht gelten. Ein Kommentar,
Es ist fas olympische Folklore, dass kurz vor Beginn der Spiele Zweifel laut formuliert werden: zu hohe Kosten, zu wenig Nachhaltigkeit, zu starke Eingriffe in die Natur, Sorge vor der politischen Instrumentalisierung des Sports durch die Ausrichter. Meist verflüchtigt sich Skepsis in der Routine von Wettkampf, Spannung, Enttäuschung, Begeisterung. Doch kann es diesmal wieder so sein?
Dass Peking 2022 in eine neue Dimension der kritischen Olympia-Rezeption führt, zeigte spätestens der Montagabend, als in der ARD die deutsche Winterolympia-Familie schlechthin, die Mittermaier-Neureuthers, sich angewidert zeigte von der Instinkt- und Empathielosigkeit der Olympia-Macher um den deutschen Oberboss Thomas Bach. Peking wird für einen Mix aus Stimmungslosigkeit (Corona-Folge, unverschuldet) und gesellschaftlicher Repression (sehr wohl verschuldet) stehen. Die Spiele werden unter diesen Umständen keine Freude bereiten.
Ein Argument pro Olympia und großem Sportevent in nicht gut beleumundeten Regionen war stets: Die Welt zu Gast – das wird den Diskurs anregen, den Wind des Wandels wehen lassen, die Menschen freier machen. Das verfängt im Fall von Peking nun überhaupt nicht. Vor 14 Jahren war Chinas Hauptstadt schon einmal Olympia-Gastgeber – und die Menschenrechtssituation damals eher noch entspannter als jetzt. Dass ausgerechnet Peking mit der Symbolik belohnt wird, erster Ausrichter von Sommer- und Winterspielen zu sein, ist ein Vergehen an der olympischen Idee.