Kinderärztin Marta Sheremet - unterirdische Heldenarbeit im Krieg
n-tv
Lviv, Ukraine - in den beklemmenden Tiefen eines Luftschutzbunkers unter einem Kinderkrankenhaus in Lviv trifft Andreas Tölke auf Marta Sheremet, eine Kinderärztin im Schatten des Krieges.
Es ist still, kühl und leer. Kaum vorstellbar, dass in diesen spärlich eingerichteten Räumen mit niedrigen Decken bis zu 100 Kinder während russischer Bombenangriffe Schutz suchen müssen. Die kleinen Patienten aus dem darüber liegenden Krankenhaus leiden an Mukoviszidose, Krebs oder SMA. SMA? Muskeldystrophie. Ohne ausreichende Behandlung sterben die Betroffenen am fortschreitenden Abbau der Herz- und Atemmuskulatur, meist im Alter von 20 bis 25 Jahren. Doch in den letzten zehn Jahren haben medizinische Fortschritte die Überlebenschancen bei der Behandlung von Babys mit SMA drastisch verbessert. Oft können die Effekte dieser genetischen Störung sogar komplett umgekehrt werden.
Doch in der Ukraine gibt es keine ausreichenden Behandlungsmöglichkeiten. Die lebensrettenden Therapien sind nur in Ländern der Europäischen Union verfügbar.Die kleinen Patienten von Dr. Marta Sheremet müssen jetzt erst einmal den Krieg überleben. Der Krieg hat das Gesundheitssystem der Ukraine bis an seine Belastungsgrenze gebracht. Viele Ärzte und Pflegekräfte sind an der Front. "Allein aus unserem Anästhesisten-Team von zehn Kollegen und Kolleginnen sind drei an der Front", sagt Sheremet. Vieles an Medikamenten und medizinischen Geräten landet ebenfalls in den Notkrankenhäusern der umkämpften Gebiete.
"Die Versorgung unserer Kinder ist aktuell kaum gewährleistet. Wir sind auf Unterstützung von außen angewiesen. Dazu gehört auch, dass wir immer wieder versuchen müssen, schwere Fälle zu evakuieren." Eigentlich ist die Behandlung in der Ukraine kostenfrei und ähnlich wie in Deutschland geregelt. Eigentlich. Doch der Krieg ist nur ein paar hundert Kilometer von Lviv entfernt. "Du kannst den nächsten Tag nicht planen, du weißt nie, was passiert und ob du morgen überhaupt noch am Leben bist", sagt die junge Ärztin. Ich weiß, was sie meint: Einen Tag vor unserem Treffen stand ich am Hotelfenster. Drohnen flogen ein und ein paar Sekunden später stieg ein paar hundert Meter von meiner Unterkunft entfernt schwarzer Rauch auf. Wir sprechen von der Innenstadt von Lviv.