Kein Wunderknabe
Frankfurter Rundschau
Der smarte junge österreichische Kanzler , der den festgefahrenen Karren der ÖVP scheinbar im Alleingang aus dem Dreck gezogen hatte, ist vor allem ein Illusionskünstler.
Mit seinem Rücktritt vom Kanzleramt hat Sebastian Kurz die Staatskrise in Österreich vorerst beendet. Dieser Schritt ist aber keineswegs aus staatsmännischer Verantwortung für das Land erfolgt. Vielmehr ist der 35-Jährige von einem sinkenden Schiff auf eine Rettungsinsel gesprungen.
Hätte Kanzler Kurz nicht von sich aus seine Demission bekannt gegeben, er wäre durch ein Misstrauensvotum in dieser Woche aus dem Kanzleramt gejagt worden. Sein Koalitionspartner von den Grünen hatte die Nase voll von einem Kanzler, gegen den wegen Bestechlichkeit und Untreue ermittelt wird.
Mit seinem Rücktritt verschwindet Kurz keineswegs von der politischen Bühne. Vielmehr wird er als Partei- und Fraktionschef die zentrale politische Figur der ÖVP bleiben, eine Art Schattenkanzler.