Josef Haslinger zum Interims-Präsident des PEN-Deutschland gewählt
DW
Der Schriftstellerverband PEN-Deutschland hat nach dem überraschenden Rücktritt seines bisherigen Präsidenten Deniz Yücel einen Nachfolger gefunden. Übergangsweise übernimmt der Österreicher Josef Haslinger den Job.
Die im thüringischen Gotha tagende Mitgliederversammlung des PEN-Deutschland hat mit großer Mehrheit für den österreichischen Schriftsteller Josef Haslinger als Interims-Präsidenten gestimmt, teilte ein Sprecher des Schriftstellerverbandes mit.
Der 66-jährige Haslinger war bereits von 2013 bis 2017 Präsident des PEN-Zentrums Deutschland. Er soll nun zusammen mit einem Notvorstand bis zur Neuwahl der Führungsriege auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung in einigen Monaten die Geschäfte der Schriftstellervereinigung führen. Auf Haslinger entfielen den Angaben zufolge 133 Ja-Stimmen von insgesamt 145 abgegebenen gültigen Stimmzetteln.
Nach einer turbulenten Sitzung am Vortag, in dessen Zuge der Journalist Yücel zunächst knapp im Amt als Präsident bestätigt worden war, dann aber selbst zurück- und aus dem Verband austrat, war am Samstag auch der verbliebende Vorstand zurückgetreten. Der 48-jährige Ex-Präsident des PEN-Deutschland, der ein Jahr wegen angeblicher Terrorpropaganda in türkischer Untersuchungshaft saß, hatte hingeschmissen, weil er keine "prominente Galionsfigur einer Bratwurstbude" sein wolle, so seine Wortwahl.
Hintergrund des ganzen Aufruhrs ist ein Streit im bisherigen Vorstand sowie Kritik am Führungsstil einzelner Vorstandsmitglieder. Vorwürfe von Mobbing, Beleidigungen und einem rüden Umgangston stehen im Raum. Stein des Anstoßes war ein an Dritte weitergeleiteter umfassender interner Mailverkehr. Der bisherige Vorstand um Yücel war erst im Oktober gewählt worden.
Zahlreiche Mitglieder, die der Versammlung des deutschen PEN-Zentrums beiwohnten, sind nach wie vor entsetzt über die Grabenkämpfe zwischen Yücel-Kritikern und seinen Unterstützern. Sie empfanden sie als "beschämend", "unwürdig" und "schäbig". In der Aussprache am Samstag (14.05.2022) war von "toxischer Männlichkeit" und "einer Riege alter westdeutscher Herren" die Rede, die persönliche Eitelkeiten vor die politische Wirksamkeit des Vereins stellten.