
Israel rüstet sich gegen Atom-Deal mit Iran
DW
Der Westen drückt bei den Wiener Atomverhandlungen mit dem Iran aufs Tempo. Israel sieht dadurch keinen Zuwachs an Sicherheit, im Gegenteil.
Immer wieder hat der israelische Premier Naftali Bennett vor einer Einigung mit dem Iran über die Wiederherstellung der Atomvereinbarung von 2015 (JCPOA) gewarnt. Ein solches Ergebnis der Verhandlungen in Wien werde nicht zu politischer Stabilität im Nahen Osten beitragen, erklärte er Anfang Februar während einer Kabinettsitzung in der Knesset. Im Gegenteil, ein Abschluss werde die politische Spannung in der Region erhöhen. "Er wird (Irans) Uran-Anreicherung vorübergehend verzögern, aber wir alle in der Region werden einen hohen und unverhältnismäßigen Preis dafür zahlen."
Nun räumte Bennett ein, dass die israelischen Warnungen offenbar ins Leere liefen. Die Amerikaner seien "fest entschlossen, eine (erneuerte) Vereinbarung zu unterzeichnen, und sie werden es auch tun". Es habe darum keinen Sinn, eine internationale Kampagne dagegen zu beginnen, "denn das Abkommen wird unterzeichnet werden", so Bennett am vergangenen Montag auf einer von der Nachrichten-Webseite Ynet organisierten Konferenz.
Allerdings sei Israel auf ein solches Ergebnis der Wiener Verhandlungen vorbereitet, und zwar in Form einer "massiven Aufrüstung" der Streitkräfte. In sie habe man "Milliarden von Schekel" investiert, "in einem fast beispiellosen Umfang", zitiert die Zeitung "Times of Israel" den Premier.
Mit seinen Warnungen artikuliert Bennett Sorgen, die in der israelischen Öffentlichkeit vielfach diskutiert werden. Die Möglichkeit, Iran könne sich trotz aller Vereinbarungen heimlich in den Besitz der Atombombe bringen, ist ebenso Thema wie die mit einer Einigung verbundene Aufhebung der US-Sanktionen. Dieser Schritt wäre eine "große Katastrophe", heißt es in einem Kommentar der Zeitung "Jerusalem Post" vom 20. März. "Er wird den Ayatollahs einen riesigen neuen Geldzufluss bescheren, mit dem sie die Hisbollah im Libanon, die Hamas und den Islamischen Dschihad im Gazastreifen, die Huthis im Jemen und verschiedene Gruppen in Syrien und im Irak dafür bezahlen können, dass sie Israel angreifen und anderweitig Terrorismus und Chaos fördern."
Hinzu kommt die nicht auszuschließenden Möglichkeit einer verborgenen nuklearen Aufrüstung des Iran. In den vergangenen Wochen habe sich gezeigt, welche Macht der Besitz von Atomwaffen verleihe, auch wenn sie nicht eingesetzt würden, sagt Johannes Becke, Professor für Israel- und Nahoststudien an der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg. "Ich fürchte, die Entwicklung im Nahen Osten muss vor dem Hintergrund der russischen Invasion in der Ukraine noch einmal neu bewertet werden. Denn die jüngste Geschichte der Ukraine ist ein bedeutender Hinweis darauf, dass Nuklearwaffen leider eben doch einen großen strategischen Wert haben."
