Importstopp ja oder nein: Kann Deutschland ohne Gas aus Russland auskommen?
DW
Putin führt Krieg und noch kauft Europa ihm weiterhin Energie ab, vor allem Gas. Auch wenn einige dagegen sind - inzwischen fordern immer mehr Experten einen Importstopp. Wie verletzlich aber sind wir wirklich?
Mit weitreichenden Sanktionen versucht der Westen, Putin das Wasser abzugraben. Aber wäre noch mehr möglich, um den Krieg zu stoppen? Die USA, Großbritannien und Kanada sind schon einen Schritt weiter gegangen und haben Energieimporte aus Russland teilweise verboten. Anders Europa. Allein Deutschland überweist Schätzungen zufolge jeden Tag einen dreistelligen Millionenbetrag für Energielieferungen an Russland. Der Grund: Die Regierung glaubt, ein sofortiger Stopp der Energielieferungen aus Russland würde der deutschen Wirtschaft extrem schaden.
Wie groß der Schaden wäre und ob Deutschland nicht doch ohne russische Energie über die Runden kommen könnte, darum tobt gerade ein lebhafter Streit unter Experten.
Bereits Anfang März verkündete eine Gruppe Gelehrter der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, die Auswirkungen eines kurzfristigen Lieferstopps für Erdgas aus Russland sei "handhabbar" für die deutsche Volkswirtschaft.
Der Ökonom Rüdiger Bachmann von der University of Notre Dame in den USA sagte kürzlich in einem Interview mit dem Tagesspiegel, ein Gas-Embargo in Deutschland wäre durchaus möglich. Er habe die Folgen gemeinsam mit Ökonomen verschiedener Fachrichtungen berechnet. Zugrunde liege seinen Annahmen ein "detailliertes 40-Länder-Modell, das die weltweiten Handelsbeziehungen einbezieht und die Input-Output Struktur auf Sektoren-Ebene berücksichtigt". Demnach würde ein Importstopp von russischem Gas das Bruttoinlandsprodukt um bis zu drei Prozent einbrechen lassen. Zum Vergleich: Im Corona-Lockdown-Jahr 2020 war die deutsche Wirtschaft um knapp fünf Prozent eingebrochen.
"Das ist natürlich gewaltig, aber es ist nichts, was man nicht mit wirtschaftspolitischen Maßnahmen auffangen könnte. Selbst wenn der Schaden doppelt so groß wäre", so Bachmann. Er verweist dabei darauf, dass die Bruttowertschöpfung der Sektoren, die in der Coronakrise geschlossen worden waren, nicht kleiner sei, als die der jetzt betroffenen Sektoren - allen voran die Chemiebranche.