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"Ich möchte nicht, dass wir zu Belarus werden"

"Ich möchte nicht, dass wir zu Belarus werden"

Süddeutsche Zeitung
Wednesday, January 19, 2022 09:36:27 AM UTC

Kasachische Menschenrechtler fürchten um die Zukunft ihres Landes: Der Präsident entmachtet zwar Vertraute seines Vorgängers, droht aber in eine neue Abhängigkeit zu rutschen - diesmal von Putin und Moskau.

Das Leben in Almaty, sagt Galym Ageleuow, sei schon fast wieder normal. Abgesehen von den Patronenhülsen, die findet der Menschenrechtler immer noch auf der Straße. Auch die zerstörten Geschäfte und die ausgebrannte Stadtverwaltung werden noch lange an die Proteste erinnern, die Kasachstan für immer verändert haben. Es ist wieder ruhig auf den Straßen Almatys, allerdings beruhigt das kaum jemanden.

"Wir alle machen uns Sorgen", sagt Galym Ageleuow im Zoom-Gespräch. Seit Jahren setzt sich der Aktivist dafür ein, dass sich Kasachen friedlich versammeln, ihre Meinung sagen und frei wählen dürfen. Um diese Freiheiten ging es auch den Demonstranten vor zwei Wochen. Mehr als 10 000 Menschen sind festgenommen worden; ausgerechnet Menschenrechtlern wie Ageleuow, Aktivisten und unabhängigen Journalisten hat Machthaber Kassym-Schomart Tokajew vorgeworfen, die Ausschreitungen mit ausgelöst zu haben.

Das Parlament stimmt für Alichan Smajilow, der den Posten bereits übergangsweise innehatte. Bei Protesten gegen die Staatsführung wurden bislang fast 10 000 Menschen festgenommen.

Dabei waren es Machtkämpfte innerhalb der kasachischen Führung, die das Aufbegehren eskalieren ließen. Anfang Januar demonstrierten Menschen in mehreren Teilen Kasachstans friedlich gegen verdoppelte Spritpreise und ein unbewegliches Regime. Vor allem in Almaty schlugen die Demonstrationen bald in Verwüstung um. "Religiöse Radikale, Kriminelle, Schläger, Plünderer und Hooligans" sind laut Tojakew "wie auf Stichwort" auf die Straßen geströmt. "Bewaffnete Kämpfer" hätten die Kontrolle übernommen, Gebäude der regionalen Regierung, der Strafverfolgungsbehörden, Gefängnisse, Banken, Fernsehsender und den Flughafen angegriffen.

In Almaty, berichtet Aktivist Ageleuow, haben bewaffnete Männer friedliche Demonstrierende angeleitet, den Protest koordiniert, die Menschen "mit Schlägern und Stöcken gesteuert", Straßen gesperrt. Ageleuow hält die Randalierer für "Kräfte", wie sie "von den Geheimdiensten für die Lösung ihrer Probleme herangezogen werden". Der Geheimdienst wiederum sei "in den Händen der Familie". Der Familie von Nursultan Nasarbajew.

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