"Ich dachte nur: bitte, bitte, bitte, bitte, bitte"
Süddeutsche Zeitung
Im Teamspringen schafft das deutsche Quartett Platz drei - um 0,8 Punkte. Lange hatte es so ausgesehen, als käme die Mannschaft bei eisigen Temperaturen von minus 22 Grad nicht vom Fleck. Doch dann kam Markus Eisenbichler dran.
Im Moment des Anlaufs der Skispringer erklingt im Stadion von Zhangjiakou ein Gong, aber davon bekommen die Athleten ganz oben auf dem Turm wenig mit. Markus Eisenbichler sowieso nicht, am Montagabend, da war er nur für sich. Das nehmen sie sich natürlich immer vor, alles ausblenden zu können, was sie von ihrem Sport ablenken könnte, in dem Moment, in dem es auf ihr ganzes Können ankommt: Körperspannung, Position in der Abfahrt, das richtige Timing am Schanzentisch. Diesmal klappte es für Eisenbichler, "ich war komplett im Tunnel drin und habe genau gewusst: Eisei, jetzt kann nichts mehr schief gehen. Jetzt lande einfach nur gut. Und dann ist das geritzt, das Ding."
Als er wieder rauskam aus seinem Tunnel, standen 139,5 Meter auf der Anzeigetafel, auf den Tribünen wedelte das geladene Publikum mit Klapperhänden, doch der Schrei von Eisenbichler übertönte sie mühelos.
Geritzt war das Ding aber noch nicht. Es war der zweite Durchgang im Teamspringen, Eisenbichler als vorletzter Springer hatte mit seinem weiten Satz gehörigen Anteil daran, dass es später noch ein langer Abend wurde für die Deutschen: Um 0,8 Punkte schlug das Team mit Eisenbichler, Constantin Schmid, Stephan Leyhe und Karl Geiger die Mannschaft aus Norwegen im Kampf um Bronze. Gold ging an Österreich vor den slowenischen Springern auf dem Silber-Rang. Das Team-Bronze war die zweite Medaille für die deutschen Männer auf der Großschanze nach Geigers drittem Platz am Samstag. Es war eine Medaille, um die sie lange gebangt hatten, Eisenbichler hatte am Ende sogar gebetet: "Normalerweise tue ich das selten."
Für viele Chinesen sind die Olympischen Winterspiele nicht gerade das wichtigste Thema. Die meisten ignorieren sie einfach. Über das Raumschiff Olympia und wie das Leben in der Parallelwelt Peking weitergeht. Von Christoph Giesen
Der Anlauf auf seine Olympia-Medaille war ein langer, 2018 in Pyeongchang hatte die Mannschaft Silber gewonnen - doch Eisenbichler durfte nach einem internen Springen gegen Stephan Leyhe nicht antreten. Umso emotionaler war er nun in China: "Vor vier Jahren durfte ich nicht mit hupfen, jetzt wollte ich unbedingt diese Medaille haben." Zur Halbzeit hatte das Team auf dem vierten Platz gelegen, nach fünf von acht Sprüngen nur auf dem sechsten Rang. "Wir haben ganz gute Sprünge gemacht, sind aber irgendwie nicht vom Fleck gekommen", sagte Bundestrainer Stefan Horngacher später, die Konkurrenz war ja auch stark, "wir brauchten ein Wunder, und das kam dann zum Glück." Doch vorher hieß es Zittern, in doppelter Hinsicht, es herrschten die eisigsten Bedingungen dieser Spiele, mit minus 22 Grad.