Homophobie in Ungarn: "Viele glauben die absurde Propaganda"
DW
Der Tag, als Ungarns Premier Viktor Orban Homosexuelle mit Pädophilen verglich, war für unseren Kolumnisten, den Budapester Fotografen Zsolt Reviczky, ein Wendepunkt in seinem Leben.
An einem Morgen im Oktober 2020 schaltete ich in meiner Budapester Wohnung das staatliche ungarische Radio ein. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban spricht dort regelmäßig, ich höre mir das oft an. An diesem Morgen zog er in dem Gespräch eine Parallele zwischen Homosexualität und Pädophilie. Er sagte, die Ungarn seien ein geduldiges Volk, was Homosexualität angehe, aber es gebe eine rote Linie, und die laute: "Lasst unsere Kinder zufrieden!"
Ich konnte es nicht fassen, dass Orban Homosexuelle mit Kinderschändern verglich. Es war schrecklich, diese niederträchtige, zum Himmel schreiende Lüge zu hören, die er vor einer großen Zuhörerschaft ausbreitete. Für mich war dieser Augenblick ein Wendepunkt in meinem Lebensgefühl in Ungarn. Ich fragte mich: Wie viele homosexuelle Jugendliche, die gerade ihre Sexualität entdecken und ohnehin tiefe Zweifel haben, stürzt das jetzt in Selbstmordgedanken?
Orbans Worte waren damals der vorläufige Höhepunkt der homophoben Rhetorik. Noch vor einigen Jahren spielte sie in Ungarn keine große Rolle, aber 2017, 2018 begann Orban, Homophobie zu einem Kampagnenthema in breitem Ausmaß zu machen. Das traf damals noch nicht auf ganz so offene Ohren wie heute. Doch Orban ist jemand, der konsequent versucht, jegliche Art von Solidarität in der Gesellschaft zu beseitigen und darauf abzuzielen, dass die Leute gegeneinander hetzen, und das funktioniert relativ gut, auch bei diesem Thema.
Seit der Verabschiedung des Gesetzes gegen sogenannte Homo-Propaganda 2021 ist die Gesellschaft immer mehr vergiftet. Inzwischen assoziiert ein Teil der Leute in Ungarn Homosexualität wirklich mit Pädophilie. Ich denke, die ungarische Gesellschaft ist an einem Wendepunkt angekommen, an dem die Stimmung gegen Homosexuelle, der Hass auf uns immer größer wird.
Mir persönlich merkt man es nicht unbedingt an, dass ich schwul bin, aber in meinem Freundeskreis haben manche von denjenigen, die etwas weiblicher sind, schon negative Erfahrungen gemacht. Ein Freund von mir wurde im Juni 2021 im Zentrum von Budapest von einer Gruppe von Männern homophob beleidigt und auch angegriffen, und zwar so schlimm, dass er hinterher ins Krankenhaus musste.