Guntram Vesper: „Jenseits der Kohle hinter den Seen“ – Ganz hinten, im Abseits
Frankfurter Rundschau
Eine kurze Geschichte Guntram Vespers, ein Reisebericht, eine Kostbarkeit.
Eine Fahrt mit dem Auto, denn Autos waren immer wichtig für Guntram Vesper, Marken wegweisend, Modelle. Diesmal eine Ausfahrt ins Ländliche, gleich hinter Leipzig, und Hinterland ist zwar nicht abgebrannt, auch nicht nach dem Krieg, aber doch eine Hinterlassenschaft, die stark abgewirtschaftet hat. Unübersehbar eine veränderte Umwelt. Vieles repariert, Landschaft gewiss saniert. Kapitalismus irgendwie wie renaturiert. Am Steuer geht es über Bundesstraßen, kurz über die Autobahn, auf den eingeschlagenen Wegen für den Erzähler zudem zurück in die eigene Kindheit, in eine Nachkriegskindheit in einem „angeschlagenen, eigentlich ausgeknockten Land“. Später wird auch gewandert. Guntram Vesper stammt aus Frohburg, in dem sächsischen Städtchen wurde er 1941 geboren, hier wuchs er hinein in provinzielle Enge, aber das war nur die eine Seite, Kindheit und frühe Jugend bekamen Weite, hat es Vesper doch vermocht, aus Frohburg einen Kosmos zu schaffen, einen aus Gedichten und Geschichten, schließlich 2016 in dem gleichnamigen 1000-Seiten-Roman. Frohburg, die Stadt, aus der sich die Familie mit dem 16-Jährigen fortmachte, denn es herrschten DDR-Verhältnisse, wurde für Vesper zum erwählten Ort – zum Geist einer gewaltigen Erzählung. Kein Wunder, dass es auch in „Jenseits der Kohle hinter den Seen“ heißt: hierhin wieder mal! Für den Plan wird ein alter Freund aus gemeinsamen Gießener Tagen in den PKW gesteckt, ein Bücherbegeisterter, als Reisebegleiter aber eher unwillig. So liegt der Vorwärtsdrang beim Erzähler, aber vielleicht hatte er von vornherein mehr im Auge, eine Geschichte?More Related News