Großbritannien will militärisches Engagement in Osteuropa ausweiten
Süddeutsche Zeitung
Großbritannien will angesichts der zugespitzten Lage um die Ukraine sein militärisches Engagement in Osteuropa ausweiten. Premierminister Boris Johnson erwägt, die Zahl britischer Soldaten in der Region zu verdoppeln und Estland Waffen zur Selbstverteidigung zu liefern, wie die britische Regierung am Samstagabend mitteilte. Derzeit sind nach offiziellen Angaben mehr als 900 britische Soldaten in Estland stationiert, mehr als 100 in der Ukraine und 150 in Polen.
"Dieses Maßnahmenpaket würde dem Kreml eine deutliche Botschaft schicken: Wir werden ihre destabilisierenden Aktivitäten nicht dulden und stehen stets fest an der Seite unserer Nato-Verbündeten angesichts russischer Feindseligkeiten", sagte Johnson. "Falls Präsident Putin den Weg des Blutbads und der Zerstörung wählt, bedeutet dies eine Tragödie für Europa. Die Ukraine muss frei in der Wahl ihrer Zukunft sein." Johnson sagte, er habe dem Militär befohlen, sich darauf vorzubereiten, die Nato-Verbündeten in Europa zu Land, zu Wasser und in der Luft zu unterstützen.
Am Vorabend war bekanntgeworden, dass Johnson bald mit Putin telefonieren will und eine Reise in die Region plant. Das genaue Ziel wurde bisher nicht genannt. Die britische Regierung will am Montag militärische Optionen diskutieren, hieß es nun. Am Dienstag werde Generalstabschef Tony Radakin das Kabinett über die Lage informieren.
In Brüssel sollen zudem die Details des britischen Angebots mit der Nato besprochen werden. Johnson wolle sich zudem Anfang Februar mit den Staats- und Regierungschefs der Nato-Mitglieder treffen, hieß es aus Regierungskreisen ohne Details. Außenministerin Liz Truss und Verteidigungsminister Ben Wallace sollen bald für Gespräche nach Moskau reisen.
Aus Regierungskreisen in London verlautete weiter, dass das britische Außenministerium am Montag seine Sanktionen gegen Russland verschärfen wolle. Damit sollten die "strategischen und finanziellen Interessen" Russlands getroffen werden, hieß es. Nach einem Bericht der Times sind die USA besorgt, dass London keine scharfen wirtschaftlichen Maßnahmen gegen Moskau beschließen kann. Denn Großbritannien toleriere seit Jahren verdächtige Investitionen aus Russland. Vor allem in London stecke viel Geld russischer Oligarchen mit engen Beziehungen zum Kreml. Würden diese Summen wegen britischer Sanktionen abgezogen, könnte dies die Finanzmetropole heftig treffen. (29.01.2022)