
Griechenland und die Türkei: Lokaltourismus statt Konfrontation
DW
Weil die Regierung in Ankara griechisches Hoheitsgebiet in Frage stellt, stehen Griechenland und die Türkei vor einem konfliktreichen Sommer. Doch ein Reeder aus dem türkischen Izmir hat ganz andere Pläne.
Etwa einhundert Kilometer liegen zwischen der griechischen Insel Lesbos und der türkischen Millionenmetropole Izmir. Die Stadt liegt an einer ausgedehnten Bucht, die sich bis in das offene Meer der Nordost-Ägäis zieht. Nur wenige Kilometer vor der türkischen Küste verläuft eine unsichtbare Linie mitten durch das Meer: Die europäische Außengrenze. Dort endet die Türkei - und Griechenland beginnt.
Das war nicht immer so. Die heutigen Grenzen basieren auf dem Vertrag von Lausanne von 1923. Über Jahrhunderte war Izmir, das auf Griechisch Smyrni heißt, ein Zentrum griechischer Kultur. Ebenso lebten zu Zeiten des Byzantinischen und des darauffolgenden Osmanischen Reichs viele Türken auf den heutigen griechischen Inseln und auf dem Festland. Der Zerfall des Osmanischen Reichs am Ende des Ersten Weltkriegs beendete das multiethnische Zusammenleben. Im heutigen Izmir wurden zehntausende Griechen von der türkischen Armee ermordet und die Stadt in Schutt und Asche gelegt.
Der Vertrag von Lausanne verpflichtete zu einem Bevölkerungsaustausch: Etwa eine halbe Million Türken, die bisher in Griechenland gelebt hatten, mussten in den neu gegründeten türkischen Staat umsiedeln; und über eine Million Griechen mussten ihre Heimat auf türkischem Staatsgebiet verlassen und nach Griechenland gehen. Ein Trauma, das heute in Griechenland als "kleinasiatische Katastrophe" bezeichnet wird - und auch einhundert Jahre später immer wieder für Streit sorgt.
Vor allem der aktuelle Präsident der Türkei, Recep Tayyip Erdogan, weiß genau, wie er die Gemüter auf der europäischen Seite erhitzen kann. Immer wieder dringen aus der türkischen Hauptstadt Ankara Stellungnahmen, die den Vertrag von Lausanne anzweifeln - und damit auch die Außengrenze der EU. Erdogans Fantasien eines türkischen Großreichs machen dabei auch vor Ansprüchen auf einige der größeren griechischen Inseln nicht halt, darunter Samos, Rhodos und Lesbos.
In Izmir stößt der Präsident dabei auf wenig Unterstützung. Die 4-Millionen-Einwohner-Metropole ist traditionell eine Stadt der Opposition. Den Bürgermeister stellt mit Mustafa Tunc Soyer die Cumhuriyet Halk Partisi (Republikanische Volkspartei, CHP). Gegründet wurde sie 1923 von Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk. Das Parteiprogramm basiert auf einer sozialdemokratisch-laizistischen Philosophie, dem sogenannten Kemalismus.
