Griechenland: Gespaltene Erinnerungen an NS-Verbrechen, Holocaust und Bürgerkrieg
DW
Eine virtuelle Ausstellung vereint Kunst und Geschichte, um ein neues Licht auf die Zeit der deutschen Besatzung Griechenlands im Zweiten Weltkrieg und ihre Folgen zu werfen.
Überall in Griechenland finden sich Spuren, die an die deutschen Besatzung 1941-1944 erinnern. Schätzungsweise eine halbe Million Menschen kamen um, die große jüdische Gemeinde der nordgriechischen Metropole Thessaloniki, einer Stadt, die lange den Beinamen "Jerusalem des Balkans" trug, wurde beinahe komplett ausgelöscht. Die Schneise der Zerstörung, die Hitlers Wehrmacht hinterließ, mündete in den blutigen Bürgerkrieg 1946-1949, der das Land bis heute ideologisch spaltet.
In Deutschland weiß man wenig über die Qualen Griechenlands im Zweiten Weltkrieg. Zur gemeinsamen Annäherung an das Thema fand bereits 2016 die Ausstellung "Gespaltene Erinnerungen 1940-1950: Zwischen Geschichte und Erfahrung" in Thessaloniki statt. Organisiert hatten sie das dortige Goethe-Institut, das Museum für Moderne Kunst (MoMUS), das Jüdische Museum der Stadt und das NS-Dokumentationszentrum Köln.
2021 sollte diese Ausstellung nach Köln kommen - doch dann kam Corona dem Vorhaben in die Quere, so dass man auf eine Online-Version auswich. Zwar musste das Material dazu im Vergleich zur physischen Ausstellung ein gutes Stück abgespeckt werden. Trotzdem spannt die virtuelle Ausgabe ein dichtes Netz aus Alltagsgegenständen, historischen Dokumenten, Texten, Biografien und Kunstwerken, die für diesen Anlass extra digitalisiert wurden.
Besucher können sich durch 21 Ausstellungsräume klicken - vom Griechisch-Italienischen Krieg 1940-41 über den Widerstand gegen und die Befreiung von den deutschen Besatzern, die Geschichte der jüdischen Gemeinde Griechenlands bis zu der des Bürgerkriegs. Die klug kuratierte Flut von Informationen macht deutlich, wie brutal die deutsche Besatzung war. Durch ein Kaleidoskop von Momentaufnahmen des dunkelsten Kapitels deutsch-griechischer Geschichte soll den Besuchenden die Möglichkeit gegeben werden, nicht einfach zu beobachten, sondern sich dem Gefühl der Zeit anzunähern.
Von ihrem Büro im Museum für Moderne Kunst am Hafen von Thessaloniki kann die Kunsthistorikerin Thouli Misirloglou auf den Freiheitsplatz schauen. Dort trieben die deutschen Besatzer im Juli 1942 rund 9000 jüdische Männer zusammen, um sie zu quälen und zu demütigen. Durch das Fenster kann man schemenhaft das Holocaust-Mahnmal erkennen. Es erinnert an die Auslöschung der jüdischen Gemeinde der Stadt. 96 Prozent ihrer 50.000 Mitglieder wurden in Hitlers Todeslagern ermordet.