Größter Erd-Trojaner bestätigt: Asteroid eilt Erde auf ihrer Umlaufbahn voraus
Frankfurter Rundschau
Ein Asteroid stellt sich als Erd-Trojaner heraus – er eilt der Erde auf ihrer Umlaufbahn voraus. Für die Forschung bieten sich spannende neue Möglichkeiten.
Alicante – Hört ein Astronom oder eine Astronomin den Begriff Trojaner, denkt er oder sie nicht an einen Computervirus oder alte griechische Geschichte – sondern an etwas ganz anderes: Asteroiden. Genauer sind Trojaner Asteroiden, die einem Planeten auf seiner Umlaufbahn vorauseilen oder hinterherjagen. Während für den Planeten Jupiter fast 10.000 Trojaner bekannt sind – einige von ihnen bekommen in den kommenden Jahren Besuch von der Nasa-Raumsonde „Lucy“ – kannte man für die Erde bisher nur einen trojanischen Asteroiden: Den Himmelskörper mit dem Namen 2010 TK7.
Entdeckt wurde dieser erste Erd-Trojaner im Jahr 2010, etwa 12 Jahre später bekommt er nun Gesellschaft: Forschende um Toni Santana-Ros von der Universität Alicante haben im Fachjournal Nature Communications die Entdeckung eines zweiten Erd-Trojaners (2020 XL5) bekannt gegeben. Diese Himmelskörper sind nur schwer aufzuspüren, da sie sich in Regionen bewegen, die nur unter erschwerten Bedingungen zu beobachten sind: die sogenannten Lagrange-Punkte 4 und 5. Dabei handelt es sich um theoretische Punkte im Erde-Sonne-System, an denen sich ein leichter Himmelskörper quasi antriebslos aufhalten kann. Das „James Webb“-Weltraumteleskop von Nasa und Esa ist kürzlich am Lagrange-Punkt 2 angekommen, wo es sich diesen Effekt zunutze machen und eine Bahn um den Lagrange-Punkt 2 einnehmen wird.
An den Lagrange-Punkten 4 und 5 können leichte Körper über lange Zeit bleiben – das kann man an den zahlreichen Jupiter-Trojanern erkennen. Und auch der neu entdeckte Erd-Trojaner 2020 XL5 wird den Berechnungen von Santana-Ros und seinem Team zufolge für mehrere tausend Jahre dort bleiben und der Erde auf ihrer Umlaufbahn vorauseilen.
Dass mit dem Asteroiden 2020 XL5 erst der zweite Erd-Trojaner gefunden wurde, liegt auch an den schwierigen Beobachtungsbedingungen, die mit den Lagrange-Punkten zusammenhängen: Objekte, die sich dort aufhalten, befinden sich aus irdischer Perspektive nah an der Sonne. Das Beobachtungsfenster, in dem der Asteroid über dem Horizont steht, die Sonne aber noch nicht aufgegangen ist, ist klein. Außerdem müssen Astronom:innen ihre Teleskope sehr tief auf den Horizont ausrichten – dort sind die Beobachtungsbedingungen am schlechtesten und der nahende Sonnenaufgang hellt Bilder auf. So erklärt sich die Forschung, warum bisher nicht mehr Erd-Trojaner entdeckt wurden.
Doch zurück zum aktuellen Fund eines Erd-Trojaners: Ursprünglich entdeckt wurde der Asteroid 2020 XL5 vom Pan-STARRS1-Teleskop auf Hawaii im Dezember 2020. Anschließend machten die Forschenden um Santana-Ros weiterführende Beobachtungen mithilfe des Lowel Discover Telescope (USA) und des SOAR-Teleskops, das vom NOIRLab der National Science Foundation der USA in Chile betrieben wird. Beide Teleskope ermöglichten die Beobachtung unter den schwierigen Bedingungen und erlaubten es den Forschenden, die ungefähre Größe des Asteroiden zu bestimmen: Er ist etwa 1,2 Kilometer groß und damit der bisher größte bekannte Erd-Trojaner, denn 2010 TK7 wird auf nur etwa 400 Meter geschätzt.