Gewinner in der Krise: Pfandleiher in Deutschland
DW
Immer mehr Menschen hierzulande kratzen ihr letztes Geld zusammen, um die steigenden Preise für Strom, Gas und Lebensmittel bezahlen zu können. Wer schnell an Bares kommen muss, macht sich auf zum Pfandleiher.
Wer wissen will, wie es Deutschland wirtschaftlich gerade geht, der muss nur die Kunden von Nikolaus Bode zählen. Die Formel ist denkbar einfach: Ist beim Siegburger Pfandleiher wenig los, geht es dem Land gut. Rennen ihm die Menschen die Türen ein, deutet alles auf eine Krise hin. Im September 2022 kann sich Bode vor Aufträgen kaum retten, Deutschland steckt also ziemlich im Schlamassel. Er sagt: "So ein Pfandhaus ist ein Indikator - die Leute kommen, wenn es eine hohe Arbeitslosigkeit gibt. Oder eben starke wirtschaftliche Probleme."
Bode hat früher Zwangsversteigerungen für Immobilien abgewickelt, 1994 machte er sich zusammen mit seinem Vater selbständig - mit einem Pfandhaus in der Innenstadt des 40.000-Einwohner-Städtchens Siegburg in Nordrhein-Westfalen. Er misst also seit fast drei Jahrzehnten den ökonomischen Puls des Landes. Was da gerade auf Deutschland zurollt, könnte ihm als Geschäftsmann eigentlich recht sein. Doch Bode macht sich ernsthaft Sorgen.
"Zu mir kommen gerade sehr viele ältere Leute und jetzt auch der Mittelstand, was früher nicht der Fall war. Ich habe gerade sehr viele Neukunden. Zusätzlich zu meiner Stammkundschaft kommen Leute mit sehr stark schwankenden Einkommen. Und Sozialhilfeempfänger, die zum Beispiel Zeiten überbrücken mussten, bis die Sozialhilfe ausgezahlt wird."
Das Geschäft von Nikolaus Bode gehört zu den rund 250 deutschen Privatpfandbetrieben in Deutschland, einem der ältesten Gewerbe Deutschlands, wenn man so will: Die erste deutsche Pfandleihe wurde vor einem knappen halben Jahrtausend, nämlich 1560, in Hamburg gegründet.
Das Prinzip der Pfandleihe funktioniert so: Wertgegenstände werden dem Pfandleiher übergeben, der legt dafür einen bestimmten Betrag auf den Tisch. Die Kunden haben dann in der Regel drei Monate Zeit, den Kredit wieder auszulösen. Und zahlen derweil Zinsen und Gebühren. Der Normalfall bei Bode: 400 Euro bar auf die Hand für ein Schmuckstück, 448 Euro zahlt der Kunde nach drei Monaten zurück – sonst wird es danach versteigert.