Geschäft im Käfig: 30 Jahre "sozialistische Marktwirtschaft" in China
DW
Unter Xi Jinping greift die Partei verstärkt in Chinas Wirtschaft ein. Für den Staats- und Parteichef ist der Kapitalismus fehlbar und die Kontrolle der Partei über Privat-Unternehmen unverzichtbar. Wohin steuert China?
Die Stimmung in der Großen Halle des Volkes war überschwänglich. Unter großem Beifall schrieben die knapp 3000 Delegierten des Volkskongresses vor genau 30 Jahren, am 29. März 1993, in der Verfassung fest, dass China statt der Planwirtschaft künftig eine "sozialistische Marktwirtschaft" verfolgt. Damit wurde Geschichte geschrieben - und China zur zweitgrößten Volkswirtschaft und neuen Weltmacht katapultiert. Zum Abschluss der Tagung beteuerte der damalige Ministerpräsident Li Peng vor der Presse, China werde künftig selbst bei Problemen in der Wirtschaftsentwicklung nicht zu "alten Methoden der Planwirtschaft" greifen.
Drei Jahrzehnte später heißt der Regierungschef wieder Li, diesmal Li Qiang. Der enge Vertraute von Staats- und Parteichef Xi Jinping ist Mitte März ins Amt berufen worden, sitzt an der gleichen Stelle im selben Saal unter glitzernden Kronleuchtern. Li Qiang widerspricht bei seinem ersten Auftritt dem Eindruck, der Kurs habe sich geändert. Die Regierung halte "an der Richtung der sozialistischen Marktwirtschaft" fest, beteuert Li Qiang und lässt ein ungewöhnlich langes Plädoyer für die Privatwirtschaft folgen.
Aber je lauter in China etwas betont wird, umso sicherer können sich Beobachter sein, dass es damit ein Problem gibt. Selbst Li Qiang räumt "unrichtige Entscheidungen" ein. Private Unternehmer seien "beunruhigt". Doch die Privatwirtschaft soll genau wie die Staatswirtschaft gefördert werden, betont Li Qiang. "Alle Unternehmen werden gleich behandelt." Doch von diesem Ziel rückt China seit 2012 unter Xi Jinping, dem "Vorsitzenden von Allem", weiter ab.
"Vielleicht meinen sie es diesmal", sagt der China-Experte Bill Bishop, Herausgeber des Newsletters "Sinocism". "Aber über die Jahre ist so viel Schaden angerichtet worden, dass sie mehr tun müssen, als nur nette Dinge zu sagen." Das geschäftsführende Vorstandsmitglied der Deutschen Handelskammer (AHK) in China, Jens Hildebrandt, wertet die Signale des neuen Premiers dennoch erst mal als "positiv": "Gelten diese auch für ausländische Unternehmen, können deutsche Firmen weiterhin am Wachstum der Volkswirtschaft partizipieren."
Vom Wirtschaftsaufschwung in China hätten deutsche Unternehmen "massiv profitiert", sagt Hildebrandt. "Ohne die Einführung marktwirtschaftlicher Elemente wäre ein derartiges Wachstum so nicht zustande gekommen." Jetzt sei wichtig, "am Geist der Reform und Öffnung" festzuhalten. "Jedoch braucht es konkrete Schritte bei der gleichberechtigten Implementierung von Regularien, beim öffentlichen Einkauf oder dem Zugang zu Bankenfinanzierung für private und ausländische Unternehmen." Wegen der schwächelnden Konjunktur müsse der Unterstützung privater Firmen und ausländischer Investitionen als zentrale Wachstumsmotoren "ein höherer Stellenwert" zukommen.