Gegenoffensive der Ukraine: „Wir zeigen ihnen, wie schwach sie sind“
Frankfurter Rundschau
Die Vorbereitung zur zweiten ukrainischen Gegenoffensive sind offenbar nahezu abgeschlossen. Vom Erfolg des Gegenangriffs hängt viel ab.
Kiew - Die lang erwartete zweite ukrainische Gegenoffensive im Ukraine-Krieg könnte kurz bevorstehen. 98 Prozent der zugesagten Waffen seien bereits geliefert, bestätigte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Donnerstag (27. April). Wann und wo der Gegenangriff beginnt, bleibt aus taktischen Gründen geheim – bei der Entscheidung spielen auch Faktoren wie das Wetter eine Rolle. Wie weit sind die Vorbereitungen?
Allein in den vergangenen Monaten trafen bereits mehr als 230 Panzer und über 1550 gepanzerte Fahrzeuge in der Ukraine ein. Das entspreche mehr als 98 Prozent der Gefechtsfahrzeuge, die der Ukraine zuletzt über die internationale Kontaktgruppe zur Koordinierung von Militärhilfe zugesagt wurden, bestätigte der Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Donnerstag. „Damit wird die Ukraine in eine starke Position versetzt, besetztes Territorium zurückzuerobern“, zeigt sich der Nato-Chef überzeugt. Zuvor waren beispielsweise auch drei Einheiten des Patriot-Flugabwehrsystems in der Ukraine eingetroffen. Seit Kriegsbeginn erhielt die Ukraine zahlreiche weitere Flugabwehrsysteme, hunderte Panzer und gepanzerte Fahrzeuge.
Doch aus Sicht der Ukraine sind weitere Waffen vonnöten. „Für die geplante Gegenoffensive brauchen wir in kürzester Zeit mehr gepanzerte Fahrzeuge, Panzer und Artilleriesysteme, Munition mit großer Reichweite“, forderte der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, den Zeitungen der Funke Mediengruppe am Samstag. Der Erfolg der Gegenoffensive hänge vom Zeitpunkt und Umfang westlicher Waffenlieferungen ab, betonte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einem Interview mit skandinavischen Medien am Freitag. Es sei für andere Länder billiger, die Ukraine jetzt zu unterstützen, als die Risiken eines Dritten Weltkriegs zu erhöhen.
Neun ukrainische Panzerbrigaden wurden laut Angaben des Nato-Generalsekretärs Stoltenberg bereits ausgebildet. Jede Brigade bestehe aus mehreren Tausend ukrainischen Soldatinnen und Soldaten, hieß es. Doch bei einem Teil der Waffensysteme ist die Ausbildung noch nicht abgeschlossen, wie der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow am Freitag bestätigte. Einige Einheiten halten deshalb noch Übungen ab.
The Guardian sprach mit einem 64-jährigen Soldaten mit dem militärischen Rufzeichen Luh, der einem Bericht vom Sonntag zufolge wenige Kilometer von der südlichen Frontlinie entfernt trainierte. Seine Infanterieeinheit habe sich aus den Kämpfen zurückgezogen, um Taktiken für den Sturm auf russische Schützengräben zu üben, erklärte der Soldat. Es gehe vor allem darum, Geschwindigkeit und Kommunikation zu verbessern, die im Kampf über Leben und Tod entscheiden können, hieß es. „Wir sind nicht bereit, wir müssen mehr trainieren, wir brauchen mehr Zeit“, hieß es vonseiten eines weiteren teilnehmenden Kämpfers.