Furchtlos durchs Eis-Labyrinth
Süddeutsche Zeitung
Platz zwei auf der alpinen Achterbahn in Zauchensee: Nach einem wechselhaften Saisonstart lässt Kira Weidle wieder vieles hinter sich - und beweist, wie sehr Skifahren auch Kopfsache ist.
Das Skigebiet Altenmarkt-Zauchensee hat einige Besonderheiten zu bieten, und das ist nicht nur der Rolltreppe geschuldet, die die Touristen aus der Parkgarage direkt auf die Piste trägt, wie in einem Kaufhaus. Die Abfahrt ist eine der schönsten und schwersten auf der alpinen Frauen-Tournee, der Start kommt einem freien Fall gleich, die Fahrerinnen katapultiert es binnen Sekunden auf 120 Stundenkilometer und eine Achterbahn aus Eis, mit Kurven, Kompressionen und Sprüngen. Wer hier schnell sein will, muss immer wach sein, "alle sieben Zwetschgen" beisammenhaben, wie Jürgen Graller gerne sagt, der österreichische Cheftrainer der deutschen Skirennfahrerinnen. Und wenn man das auf Kira Weidle münzt, Grallers derzeit einzige Weltcup-Starterin in den schnellen Disziplinen, war das mit dem kompletten Satz an Steinfrüchten manchmal so eine Sache.
Mutig war Weidle schon immer, von ihr ist die Geschichte verbrieft, wie sie geradeaus den Hang einer Skisprungschanze heruntersauste, da war sie elf. Dieses Eis-Labyrinth in Zauchensee, wo Weidle vor sechs Jahren im Weltcup debütierte, war ihr aber noch nie so richtig gelungen. Bis jetzt.
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Umso mehr sonnte sie sich in ihrer Freude über Platz zwei in der Abfahrt - mit Abstand die beste deutsche Leistung des Wochenendes, neben Alexander Schmids 14. Rang im Slalom von Wengen, wo der Norweger Lucas Braathen von Rang 29 im ersten Lauf zum Sieg raste. Weidle lag am Samstag nur eine Zehntelsekunde hinter der Schweizerin Lara Gut-Behrami, es war ihr bislang bester Ertrag im Weltcup, "sehr viel" bedeutete ihr das. Nicht nur hatte sie fast alle Konkurrentinnen hinter sich gelassen, sondern auch, was ja oft noch komplizierter ist, die eigenen Erwartungen.
Wer mit 19 auf der Abfahrt im Weltcup debütiert, ist den handelsüblichen Zeitplänen weit voraus, und nicht immer war Weidle dabei so sehr in ihrer Balance wie jetzt. Nach ersten Achtungserfolgen mussten die Trainer sie erst mal erden. Danach, erinnerte sie sich jetzt, habe sie den Erfolg manchmal "ums Verrecken" gewollt, vor zwei Jahren in Zauchensee etwa: Weidle war in den Trainingsläufen die Schnellste, wollte es im Rennen besonders gut machen, reihte dann besonders viele Fehler aneinander. Seitdem, sagte sie, "bin ich auch ein bisschen reifer geworden".