Fußballgewalt als Spiegelbild der Gesellschaft
DW
Tödliche Ausschreitungen beim Lokalderby in Medellin zwischen Atletico Nacional und Independiente heizen Diskussionen an. Die beteiligten Klubs aus der kolumbianischen Metropole fordern eine härtere Gangart der Politik.
Es ist der Klassiker, der die kolumbianische Millionenstadt Medellin seit Jahrzehnten elektrisiert: Im Derby zwischen Atletico Nacional und Independiente schlagen die Emotionen hoch. Zu hoch wie Ende April, als es im Stadion und außerhalb der Arena zu Gewalt- und Jagdszenen kommt. Die rivalisierenden Fanlager gingen wie so oft in den letzten Jahren aufeinander los. Am Ende eines blutigen Tages stehen zwei Tote und mindestens 14 Verletzte in der Statistik der Polizei - und Klubs, die mit der Situation überfordert zu sein scheinen. Und das nicht nur in Medellin, sondern auch in anderen lateinamerikanischen Städten. Einige gewaltbereite Fangruppierungen in den Fußballstädten des Kontinents haben so viel Macht, dass sie die Vereine unter Druck setzen können.
Inzwischen ist in Kolumbien eine Debatte darüber entbrannt, wie die Gewalt in und außerhalb der Stadien in den Griff zu bekommen ist. Weder Medellin, noch Kolumbien haben dieses Problem exklusiv, doch aus historischen Gründen schaut der Rest der Welt genau hin, wenn in der Millionenmetropole in der Provinz Antioquia wieder einmal Blut im und um das Stadion herum fließt.
Das hängt auch mit der Ermordung von Nationalspieler Andres Escobar zusammen, der 1994 im kolumbianischen Trikot im Anschluss an ein Eigentor bei der WM im Spiel gegen die USA nach der Rückkehr in seine Heimatstadt erschossen wurde. Seitdem klebt der Makel an Medellin, eine der gefährlichsten Fußballstädte der Welt zu sein. Dabei steht die Stadt eigentlich - wegen ihres Klimas - für den "ewigen Frühling" und für einen dynamischen Aufstieg zu einem der spannendsten Wirtschaftsstandorte Südamerikas.
"Ich denke, es ist ein Problem der Gesellschaft, das sich auf den Fußball überträgt, denn die Gesellschaft durchdringt in gewisser Weise den Fußball", sagt Klubpräsident Mauricio Navarro von Atletico Nacional, einem der populärsten Klubs in ganz Lateinamerika. Navarro zieht im Gespräch mit der DW einen Vergleich mit den politischen Protesten in den vergangenen Jahren, als die sogenannte "Primera Linea" auf den Straßen des Landes unterwegs war. "Man hat damals eine ähnliche Gewalt, die wir im Fußball gesehen haben, auch auf der Straße erlebt."
Klub-Vizepräsident Benjamin Romero spricht von einer Intoleranz, die dazu geführt habe, dass das Leben nur noch wenig Wert habe. "Auf der Straße wird jemand umgebracht, weil sein Handy gestohlen wird. Wenn wir das auf den Fußball übertragen, wird auf der Straße jemand umgebracht, weil er das Trikot eines gegnerischen Teams trägt. Das ist eine völlig absurde Situation."