Friedrich Merz: Weichgespült und ratlos
Frankfurter Rundschau
Friedrich Merz hat sich die Macht in der CDU gesichert. Eine Strategie für den Aufbruch ist das allerdings nicht. Ein Gastbeitrag von Dorothée de Nève.
Berlin - Friedrich Merz greift nach der Macht. Nach dem Rückzug von Ralph Brinkhaus vom Unions-Fraktionsvorsitz ist der Weg frei. Die Union wird Geschlossenheit demonstrieren und damit dem neuen CDU-Parteivorsitzenden den Weg ebnen. Ist nun die lange Phase interner Querelen in der CDU endlich Geschichte? Der Schein trügt, denn die Konflikte in der Partei sitzen wesentlich tiefer.
Friedrich Merz hatte nach seinem Rücktritt als stellvertretenden Fraktionsvorsitzender (2004) den Rückhalt in der Fraktion und auch im Parteivorstand der CDU verloren. Wer mit verletzter Eitelkeit oder Gehässigkeiten auf den parteiinternen Wettbewerb reagiert, gilt als illoyal und meist ungeeignet, künftig je wieder Führungsverantwortung zu übernehmen. Die Führungselite der CDU hat ein Gedächtnis wie ein Elefant. Bei seiner für viele unerwarteten Rückkehr an die politische Macht musste Friedrich Merz deshalb über drei Banden spielen.
Eine Bande, die Friedrich Merz gekonnt nutzte, ist seine mediale Präsenz. Schon in der Zeit, als er noch Fraktionsvorsitzender der Union im Bundestag war, glänzte er mit seinen rhetorischen Fähigkeiten als scharfzüngiger Oppositionsführer. In Talkshows, Interviews und in sozialen Medien nutzte er gezielt die bewährten Themen der Geschlechterpolitik und -sprache, um konservative Marker zu setzen. Im Bundestagswahlkampf 2021 versuchte er unter anderem mediale Aufmerksamkeit zu erringen, indem er die Falschinformation verbreitete, die Grünen planten ein Einwanderungsministerium, um möglichst viele Einwanderer nach Deutschland einzuladen. Seine Lust an der Provokation und der Zuspitzung, auch in persönlichen Konflikten, bescherte ihm viel mediale Aufmerksamkeit. Dies ist wiederum eine Voraussetzung dafür, um im eng getakteten demoskopischen Wettlauf wahrgenommen zu werden. Merz’ mediale Präsenz führte in der Öffentlichkeit zu begeisterter Bewunderung einerseits und zu befremdeter Abneigung andererseits.
Das zweite Bandenspiel funktionierte über die CSU, die zugleich als Bündnispartnerin und Gegenspielerin agiert. Als Vetospieler in den eigenen Reihen hat CSU-Chef Markus Söder keinen Hehl daraus gemacht, auf wessen Seite er steht.
Am dritten und zugleich zweifellos stärksten Spielzug über Bande waren die Mitglieder der CDU beteiligt. Innerhalb der CDU gibt es – wie bei allen etablierten Parteien – sehr unterschiedliche Präferenzen und strategische Orientierungen. In dieser Gemengelage sind die Mitglieder die konservativen Bewahrer der Partei, die kaum Interesse an Veränderungen und Reformen haben. Mit ihrer Hilfe konnte Friedrich Merz im dritten Anlauf den Parteivorsitz mit einem Traumergebnis gewinnen.