
Flucht aus Belarus: Hochschwanger durch Wald und Sumpf
n-tv
Polina Leschko ist im siebten Monat schwanger, als sie eine schwierige Entscheidung treffen muss - das Kind im belarussischen Gefängnis zur Welt bringen oder fliehen. Die Frau entschiedet sich für die Flucht. Die Route verläuft durch tiefe Wälder und Sümpfe. Erst anderthalb Jahre später ist sie bereit, darüber zu sprechen.
Es ist ein grauer Tag im vergangenen Dezember, als Polina Leschko von dem Tod ihres Bruders erfährt. Die 35-jährige Belarussin lebt in Warschau, nur vier Autostunden von ihrer Heimatstadt Brest entfernt. Zur Beerdigung dort kommt die Frau trotzdem nicht - vor anderthalb Jahren musste sie aus ihrem Land fliehen, zurück kann sie nicht mehr.
Wie Hunderttausende andere Belarussen ging Leschko im August 2020 auf die Straße, um gegen Diktator Alexander Lukaschenko zu protestieren. Zusammen mit ihrem Mann lief sie bei täglichen friedlichen Demos mit. Mitte September war damit Schluss - die zweifache Mutter bekam eine Vorladung von der Polizei. Wegen der Teilnahme an den Demonstrationen wurden Strafverfahren gegen sie und ihren Mann eingeleitet. "Auf meine berechtigte Frage, ob wir denn etwas Verbotenes gemacht haben, zeigte mir der Beamte beim Verhör ein Foto von mir und meinem Mann auf einer Demo und sagte: 'Ihr seid verdammte Kriminelle, eure Kinder werden in ein Waisenhaus gebracht. Und ihr werdet im Gefängnis verrotten'", erinnert sich die Frau in einem Gespräch mit dem oppositionellem Nachrichtenportal Zerkalo. Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion erscheint ihr Bericht nun in verkürzter Form auch bei ntv.de.
Mehrere Monate später, im Juni 2021 - Leschko war inzwischen mit ihrem dritten Kind schwanger - wurde das Ehepaar zu einer Freiheitsstrafe von anderthalb Jahren verurteilt. Die beiden legten Berufung ein und gewannen so wertvolle Wochen in Freiheit, um zu überlegen, was zu tun ist. Die Kinder ins Heim schicken zu lassen und die Tochter hinter Gittern zur Welt zu bringen, war für die Familie keine Option. Das Ehepaar entschied sich für die Flucht.
