
Feministische Außenpolitik - Wunsch oder Realität?
DW
Die Bundesregierung bekennt sich erstmals zu einer feministischen Außenpolitik - und die deutsche Chefdiplomatin Annalena Baerbock rückt das einstige Nischenthema nun im Schatten eines Krieges in den Vordergrund.
Wo Krieg herrscht, scheint eine feministische Außenpolitik zunächst ein begrenztes Mittel gegen die Krieger zu sein. Schließlich ist es oberstes Ziel jeder Außenpolitik, es erst gar nicht so weit kommen zu lassen. Doch zugleich gewinnen feministische Ansätze in Konfliktsituationen an Bedeutung, denn gerade Frauen brauchen dann besonderen Schutz.
Für Deutschland steht die neue Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) für das Thema wie kaum eine andere. Ob an der Kontaktlinie im Donbass oder bei der Pressekonferenz in Ägypten - die 41-jährige Chefdiplomatin, selbst Mutter zweier Kinder, spricht demonstrativ auch als Frau. Diese Perspektive gehört zum festen Bestandteil ihrer Reden. Auf Reisen trifft sie oft zuerst Frauen und NGOs vor Ort, bevor sie sich mit männlichen Regierungsvertretern an den Verhandlungstisch setzt.
Die Außenministerin setze "der Erzählung von geopolitischen Einflusszonen mächtiger Staaten ohne Skrupel eine andere Geschichte entgegen, die von menschlicher Sicherheit und Menschenrechten", sagt die Grünen-Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger. So definierte Baerbock kürzlich bei der Münchner Sicherheitskonferenz das Minsker Abkommen im Sinne der feministischen Außenpolitik: "Es ist nicht nur ein Verhandlungsformat oder ein technischer Begriff." Es gehe um "menschliche Sicherheit. Es geht darum, ob Familien, Kinder in der Mitte Europas, in der Mitte unseres Europas, sicher und in Frieden aufwachsen können", sagte Baerbock - und zitierte Mütter, die sie auf der Reise in den Donbass Anfang Februar getroffen hatte: "Erst wenn Frauen sicher sind, sind alle sicher".
Auch im Koalitionsvertrag bekennt sich die neue Bundesregierung klar zur feministischen Außenpolitik: "Gemeinsam mit unseren Partnern wollen wir im Sinne einer Feminist Foreign Policy Rechte, Ressourcen und Repräsentanz von Frauen und Mädchen weltweit stärken und gesellschaftliche Diversität fördern", so der Wortlaut im Koalitionsvertrag. Deshalb wolle man "mehr Frauen in internationale Führungspositionen entsenden."
Dementsprechend sind in der neuen Bundesregierung erstmals alle sicherheitsrelevanten Ressorts mit Frauen an der Spitze besetzt. Das Außen-, Verteidigungs- und das Innenministerium sind in Frauen-Hand, ebenso sind Bundeswehr-Beauftragte und Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag Frauen. Doch Personalien allein sind weniger das Ziel. Zuständig für mehr feministische Außenpolitik im deutschen Außenministerium ist ausgerechnet ein Mann: Staatsminister Tobias Lindner von den Grünen. "Es soll nicht nur ein Frauenthema bleiben. Es geht nicht um weibliche Besetzung von Ämtern, sondern darum, dass die Frauenperspektive auf die Konflikte sichtbar wird - und in diesem Fall sorgt eben ein Mann dafür", kommentiert Brugger.
