Feinripp des Grauens
n-tv
Wer von knalligen 90 Krimi-Minuten am Sonntag im Ersten träumt, wurde am Vorabend auf das Großartigste unterhalten: Schmierige Typen, gruseliges Setting, Flashbacks zum Fürchten, Heldinnen zwischen Psychose und Power. "Liebeswut" war ein "Tatort" für die Ewigkeit.
Wer erinnert sich noch an den Hausmeister seiner Grundschule? Der Typ an meiner Schule, sein Name sei an dieser Stelle natürlich nicht genannt, war ein mittelgroßer Typ, chronisch garstig und auf der Lauer, Schnurrbart, Baskenmütze, grauer Kittel und mit einer Art Röntgenblick fürs Scheißebauen jeglicher Art ausgestattet. Wer erwischt wurde - und eigentlich wurde buchstäblich jeder erwischt - bekam einen Gang, der sich gewaschen hatte. Während dieser Standpauke griff sich besagter Hausmeister ein kleines Stück der Koteletten, wenn man diese Haarregion bei einem circa Neunjährigen denn schon so nennen konnte, und riss sie dermaßen hoch, dass der arme Tropf, wimmernd und leise furzend vor Angst, mit den Zehenspitzen so gerade noch den Boden berührte.
Mit Blick auf den Hausmeister aus dem "Tatort" vom Sonntagabend würde man sich einen wie den Baskenmützen-Drillsergeant fast zurückwünschen. Joachim Conradi (Dirk Martens) ist aus anderem Holz. Der Mann schnüffelt an vergessenen Kleidungsstücken der Kinder und gibt sich dabei der zwanghaften Masturbation hin. Sein größter Wunsch: Endlich einmal gelobt werden. "Gut gewichst", möchte man ihm umgehend ins Führungszeugnis kritzeln. Und der Typ ist nur einer unter vielen, in diesem von schrägen Chargen bevölkerten Gruselkabinett, das der Bremer "Tatort" seinem Publikum mit dem Titel "Liebeswut" ins sonntägliche Wohnzimmer splatterte.
Da ist Mutter Kramer, die im Tutu, so rot wie das Blut an ihrem Schädel, in einem geheimen Zimmer mit gebrochenem Blick an die Decke starrt. Da ist Vater Kramer (Matthias Matschke), ein umnachteter Kretin, und seine neue Lebensgefährtin (Milena Kaltenbach), eine dem K-Pop entsprungene Nymphe mit Zwillingen unterm Herzen. Da sind die Großeltern (Ulrike Krumbiegel und Thomas Schendel), die das Wort Fürsorge etwas anders buchstabieren als Omma und Oppa von nebenan und natürlich der schmierige Schaballa (Aljoscha Stadelmann), ein fieser Feinripper mit Wassereis-Vorliebe, voluminöser Wampe und Mama im Rollstuhl - allesamt unterwegs in einem Panoptikum, das es in sich hat.