Für die Dänen und Friesen im Bundestag
DW
Stefan Seidler ist Abgeordneter für den "Südschleswigschen Wählerverband" (SSW). Er vertritt die Minderheit der Dänen und Friesen im Bundestag. Ganz allein. Ein Besuch bei einem Einzelkämpfer.
Alle Bundestagsabgeordneten haben so etwas wie eine Heimat: Ihre Fraktion, den Verwaltungsapparat, der dahintersteht, Pressesprecher. Und natürlich die Kolleginnen und Kollegen der eigenen Partei. Stefan Seidler, der 42 Jahre alte Politiker aus Flensburg, ganz oben in Schleswig-Holstein an der Grenze zu Dänemark, hat das alles nicht. Trotzdem sitzt er jetzt in der Westlobby des Bundestags, vor dem Eingang zum Plenarsaal, und ist guten Mutes. Er sagt der DW: "Alle haben mich hier sehr höflich aufgenommen. Die Bundestagsverwaltung, aber auch die anderen Fraktionen, die Kolleginnen und Kollegen. Ich fühle mich gar nicht so einsam. Ich denke, es gibt Menschen da oben, die noch höhere Posten haben, die sich wesentlich einsamer fühlen als ich."
Dass Seidler jetzt Bundestagsabgeordneter ist, stellt eine gesetzliche Besonderheit der Bundesrepublik dar: Vier nationale Minderheiten gibt es qua Gesetz in Deutschland. Gruppen deutscher Staatsbürger also, die sich einer anderen Nation, einem anderen Volk zugehörig fühlen.
Rund 50.000 Menschen im nördlichen Teil Schleswig-Holsteins, im Landesteil Schleswig, fühlen sich als Dänen, sprechen dänisch, betreiben eigene Kindergärten und Schulen. Daneben gibt es die Friesen an der Nordsee, in Schleswig-Holstein und Niedersachen, die Sorben in Sachsen und Brandenburg mit rund 60.000 Mitgliedern. Und die Sinti und Roma: Rund 70.000 von ihnen leben vor allem in den deutschen Großstädten.
Seit der Bonn-Kopenhagener Erklärung von 1955, einer Art Freundschaftsvertrag nach den bitteren Erfahrungen im Krieg mit der deutschen Besatzung, ist verbindlich geregelt, dass politische Vertreter der nationalen Minderheiten beiderseits der Grenze von der Fünf-Prozent-Hürde befreit sind, wenn sie zu Wahlen antreten. Der SSW tritt regelmäßig bei schleswig-holsteinischen Landtagswahlen an, hat das nun aber nach langen Jahren auch wieder bei der Bundestagswahl getan. Kurz nach dem Krieg, zwischen 1949 und 1953, gab es schon mal einen Bundestagsabgeordnete der Partei. Geschenkt bekommen die Vertreter der nationalen Minderheit ihr Mandat aber nicht. Seidler musste bei der Wahl so viele tatsächliche Stimmen erhalten, wie für die Erringung eines Mandats erforderlich sind.
Zwischen 33.000 und 38.000 Stimmen waren das diesmal für den SSW, abhängig unter anderem von der Wahlbeteiligung. Seidler bekam rund 55.000 Stimmen und sitzt nun im Parlament, mit zwei Mitarbeitern in Berlin und weiteren zwei in seinem Wahlkreisbüro in Flensburg.