Ex-Ministerin als Behördenchefin: Nahles wagt den Ringschluss
ProSieben
Als Ministerin kämpfte sie für Mindestlohn und gegen Hartz IV. Künftig muss sie Dinge umsetzen, die sie einst selbst auf den Weg gebracht hat. Andrea Nahles, einst als "Trümmerfrau der SPD" bezeichnet, leitet die Bundesagentur für Arbeit.
Es ist eine der größeren politischen Personalien des Jahres: Andrea Nahles, frühere SPD-Hoffnungsträgerin, Generalsekretärin und als Parteichefin schließlich zur Trümmerfrau der schlingernden deutschen Sozialdemokratie ernannt, wird Vorstandschefin der Bundesagentur für Arbeit. Zunächst gegen den Widerstand der Arbeitgeber im Verwaltungsrat der Agentur, aber mit aller Entschlossenheit der Arbeitnehmer durchgesetzt. Am Montag nimmt sie offiziell ihre Arbeit auf - und wird Dinge umsetzen müssen, die sie einst als Politikerin selbst auf den Weg gebracht hat.
Für Nahles schließt sich also an diesem Montag bereits ein Kreis, obwohl ihr Job als Vorstandschefin der Bundesagentur für Arbeit überhaupt erst anfängt. Jahrzehntelang war sie Sozialpolitikerin, hat sich im Bundestag und im Ministerium mit drängenden Fragen wie Hartz IV oder Mindestlohn beschäftigt. Als Behördenleiterin wird die frühere Arbeitsministerin nun ihren Praxistest bestehen müssen.
Besonders das neue Bürgergeld ist für sie ein Ringschluss. Es ist der Ersatz für die von Nahles häufig als Sozialabbau kritisierte und innerhalb ihrer Partei höchst umstrittene Grundsicherung - bekannt unter der gängigeren Bezeichnung Hartz IV. "Gesetze zu machen, ist eine eigene Kunst", sagt sie im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Jetzt gehe es um die Umsetzung. "Ich habe den Zirkelschlag der Arbeitsmarktpolitik in Deutschland begleitet - das sehe ich als Privileg an, dass ich das machen darf", sagt die Rheinländerin, die sich seit Mai in Nürnberg einarbeitet.
Nahles hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt. Sie will das einst verstaubte und teils berüchtigte "Arbeitsamt" zur Vorzeigebehörde machen - modern und digital, aber auch noch stärker kundenorientiert. Die Kundschaft solle sich willkommen fühlen - nicht als Bittsteller. Viel habe sich am Erscheinungsbild bereits unter ihrem Vorgänger Detlef Scheele geändert - ebenfalls ein SPD-Weggefährte. Der Weg müsse weitergegangen werden - auch bei der Automatisierung und beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz. "Aus meiner Sicht brauchen wir eine Dekade der Automatisierung", sagt Nahles. Die Bemühungen müssten aber auch von der Bundesregierung flankiert werden - etwa bei der Bereitstellung geeigneter technischer Lösungen wie der Cloud-Technologie.
Nahles übernimmt die Arbeitsverwaltung mit über 100.000 Mitarbeitern und einem Jahresetat von um die 40 Milliarden Euro zu einer Zeit, in der Umbrüche anstehen. Die Transformation der deutschen Industrie, etwa von der herkömmlichen Stahlerzeugung zum "Green Steel", sieht sie als eine der größten Herausforderungen. "Auch die Qualifikationen der gut ausgebildeten Mitarbeiter stimmen nicht mehr zwangsläufig mit dem überein, was morgen von ihnen verlangt wird", sagt Nahles. Diese Transformation müsse von der Bundesagentur künftig eng begleitet werden.