Euro fällt auf Parität zum US-Dollar
DW
Es ist eine gefährliche Mixtur, die dem Euro derzeit zu schaffen macht: Zum einen eine drohende Rezession in der Euro-Zone, zum anderen der wachsende Zinsabstand zu den USA.
Der Euro hat am Dienstagmorgen wieder die Parität zum US-Dollarerreicht, ein Euro entsprach also genau einem Dollar. Das geschah zum ersten Mal seit fast 20 Jahren. Der Kurs erholte sich zwar schnell wieder. Doch Ökonomen rechnen damit, dass es für die europäische Gemeinschaftswährung noch weiter bergab gehen könnte.
Die Gemeinschaftswährung verliert gegenüber dem Dollar zwar schon seit Monaten an Wert. Doch die aktuelle Schwäche führen die Experten auf die Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zurück. Der drohende Stopp russischer Gaslieferungen trifft vor allem Europa. "Auf die Konjunktur in den USA hätte das wenig Auswirkungen", vermutet Ulrich Leuchtmann, Devisenexperte der Commerzbank. Sollte es soweit kommen, rechnen Ökonomen mit einer Rezession. Die Besonderheit dabei: Es wäre eine "inflationäre Rezession". "Normalerweise sinken in einer Wirtschaftsabschwächung auch die Preise", erklärt Leuchtmann. Doch weil die Importpreise so stark steigen - vor allem die für Rohstoffe, also auch Öl und Gas, importiert Europa gerade Inflation.
"Das schwächt die Wirtschaft zusätzlich", erklärt Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie für Deutschland, die Schweiz, Österreich und Osteuropa beim weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock. Mit einer "normalen Rezession" können die Finanzmärkte besser umgehen, sagt der Ökonom. "Der furchtbare Vernichtungskrieg und die hohen Preise dämpfen die Investitionsbereitschaft der Unternehmen." Einen wesentlichen Grund für die Euroschwäche sieht Lück aber auch in den Unterschieden der Geldpolitik diesseits und jenseits des Atlantiks. "Die amerikanische Notenbank Fed ist viel schneller und deutlicher auf die Bremse getreten als die Europäische Zentralbank das tun wird", ist er überzeugt. Allerdings ist die Steuerung der Geldpolitik für die europäische Zentralbank derzeit auch besonders schwierig.
Die Zinsunterschiede zwischen den USA und dem Euroraum haben in der letzten Zeit weiter zugenommen. Denn während die Fed schon drei Zinsschritte unternommen hat und die Zinsen zunächst um 25 Basispunkte, dann um 50 und zuletzt sogar um 75 auf nun 1,5 bis 1,75 Prozent angehoben hat, liegt der Leitzins im Euroraum noch bei null Prozent - Banken müssen für ihre Einlagen bei der EZB weiter Strafzinsen von 0,5 Prozent zahlen.
Am Donnerstag kommender Woche (21.7.) sollen die Zinsen dann um 25 Basispunkte angehoben werden, im September vielleicht um weitere 50 Basispunkte. "Zuletzt sind aber Zweifel aufgekommen, ob die EZB dabei bleibt", sagt Christian Apelt, Devisenexperte der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). Sie ist auf jeden Fall in einem Dilemma: Geht sie zu stark gegen die Inflation vor, die aktuell im Euroraum bei 8,6 Prozent liegt, steigt das Risiko einer Rezession. Tut sie zu wenig, wird wieder mehr Inflation importiert.