EuGH-Gutachten: Ungarn und Polen stecken Schlappe im Streit um Rechtsstaatlichkeit ein
DW
In seinem Gutachten hat sich ein hochrangiger Jurist des Europäischen Gerichtshofes dafür ausgesprochen, die Klage Ungarns und Polens abzuweisen. Das letzte Wort ist nicht gesprochen, aber es wird eng.
Ungarns und Polens Klage gegen den neuen Rechtsstaatsmechanismus sollen abgewiesen werden, jedenfalls wenn es nach Generalanwalt Manuel Campos Sánchez-Bordona geht. In seinem heute veröffentlichten Gutachten macht er Polen und Ungarn einen Strich durch die Rechnung. Ihren Klagen gegen den sogenannten "Rechtsstaatsmechanismus" empfiehlt er, nicht stattzugeben. Unter dem sperrigen Begriff versteht man, dass die EU Fördergelder an die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien knüpfen kann.
Der Mechanismus ist seit Beginn des Jahres 2020 in Kraft. Es gilt auch für das millionenschwere Corona-Wiederaufbaupaket, aus dem Polen 23,9 Milliarden und Ungarn 7,2 Milliarden Euro Corona-Hilfen bekommen sollen. Gegen den Mechanismus haben Polen und Ungarn geklagt.
Mit demheutigen Gutachten ist die Sache zwar nicht entschieden, könnte aber Signalwirkung haben. Am Ende des Verfahrens könnte der Weg geebnet sein, Polen und Ungarn den Geldhahn zuzudrehen. Denn der spanische Generalanwalt weist die Argumente Polens und Ungarns auf ganzer Linie zurück.
Im Einzelnen führt Sánchez-Bordona aus, dass die EU-Institutionen für den Mechanismus die richtige Rechtsgrundlage gewählt haben, da es sich bei diesem, um eine Haushaltsvorschrift handle. Denn die Regelung würde nicht bei allen Verstößen gegen Rechtsstaatlichkeit greifen, "sondern nur bei jenen, die in unmittelbaren Zusammenhang mit der Haushaltsführung der Union stünden." Polen und Ungarn hatten bei den Verhandlungen vorgetragen, es würde sich vor allem um einen gegen sie gerichteten "Sanktionsmechanismus" handeln.
Auch das Vorbringen, dass die Rechtsstaatlichkeit in der EU nur mit dem sogenannten Artikel-7-Verfahren geschützt werden dürfe, lässt der Generalanwalt nicht gelten. Der Europäische Gerichtshof habe in der Vergangenheit entschieden, "dass die Verletzung von Werten der Union Konsequenzen habe, auch ohne Rückgriff auf Artikel 7 EUV," heißt es in der Presseaussendung. Unter dem Artikel-7-Verfahren versteht man einen Mechanismus zum Schutz von EU-Werten, unter anderem dem der Rechtsstaatlichkeit. Am Ende dieses Verfahrens kann die Aussetzung von Stimmrechten bei EU-Gesetzgebung stehen. Sowohl gegen Polen als auch gegen Ungarn laufen solche Verfahren.