
"Es hörte sich an, als würden die Menschen lebendig verbrannt"
n-tv
Das Okrestina-Gefängnis in der belarussischen Hauptstadt Minsk ist ein Symbol für die Brutalität des Lukaschenko-Regimes. Hier werden Regierungsgegner geschlagen, misshandelt und gefoltert. In einem NGO-Bericht schildern mehr als 100 ehemalige Insassen das Grauen, das sie erlebt haben.
Rund zwei Jahre nach der brutalen Niederschlagung friedlicher Proteste in Belarus hat das Internationale Komitee zur Untersuchung von Folter einen Bericht veröffentlicht, in dem Misshandlungen der inhaftierten Demonstranten durch Sicherheitskräfte ausführlich geschildert werden. Das 56 Seiten lange Dokument befasst sich mit Fällen der Gewalt im berüchtigten Gefängnis Okrestina in Minsk in den ersten fünf Tagen der Proteste gegen die gefälschten Präsidentschaftswahlen am 9. August 2020. Die Ereignisse dieser Tage waren ausschlaggebend für die weitere Entwicklung des Landes und auch der gesamten Region. Als Reaktion auf Berichte über Folter im Okrestina-Gefängnis gingen noch mehr Menschen auf die Straße, das Land kam mehrere Monate nicht zur Ruhe.
Vom 9. bis 14. August 2020 seien mehr als 3000 Menschen durch das Okrestina-Gefängnis "gejagt" worden, das für 110 Personen ausgelegt ist, heißt es im Bericht. Unter ihnen befanden sich demnach unter anderem Minderjährige, ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen und zufällige Passanten. Die Inhaftierten waren erniedrigenden Verfahren und schweren Misshandlungen ausgesetzt und wurden unter unmenschlichen Bedingungen in überfüllten Zellen ohne Essen und Wasser tagelang festgehalten. Opferaussagen zufolge befanden sich bis zu 50 Menschen gleichzeitig in einer Viererzelle. Wie es im Bericht heißt, wurden die Schläge und Folter sowohl von Polizisten als auch von Gefängniswärtern und medizinischem Personal ausgeübt.
In dem Dokument lassen sich bereits Hinweise auf Tendenzen der folgenden Jahre erkennen. So wurden Häftlinge, die belarussisch sprachen und diejenigen, die Tattoos oder Kleidung mit nationaler Symbolik trugen, laut Zeugen- und Opferaussagen durch Gefängnismitarbeiter mit Farbe markiert. Der Grund: Sie wurden dann deutlich brutaler geschlagen als andere Häftlinge. Seit einigen Jahren wird die belarussische Sprache vermehrt unterdrückt. Die nationalen Symbole wie die weiß-rot-weiße Flagge und das Wappen Pahonja, die von Lukaschenko bereits 1995 durch leicht veränderte sowjetische Motive als Staatssymbole ersetzt wurden, wurden als extremistisch eingestuft. Wer diese Motive öffentlich trägt, riskiert eine Gefängnisstrafe.
