Erste größere Stadt fällt an russische Truppen
DW
Nach übereinstimmenden Angaben kontrollieren russische Soldaten die Stadt Cherson im Süden des Landes. Aus Kiew werden neue schwere russische Angriffe gemeldet. Laut UNHCR sind rund eine Million Menschen geflüchtet.
Die wichtigsten Informationen in Kürze:
Die Stadt Cherson im zentralen Süden der Ukraine ist die erste Großstadt, die nach Behördenangaben an russische Truppen gefallen ist. Regionalverwaltungschef Gennady Lakhuta schrieb bei Telegram, russische "Besatzer" seien in allen Stadtteilen und "sehr gefährlich". Zuvor hatte Bürgermeister Igor Kolychajew erklärt, russische Soldaten seien in den Straßen der Stadt unterwegs und hätten sich Zutritt zum Rathaus verschafft. Er rief die russischen Truppen dazu auf, nicht auf Zivilisten zu schießen. "Wir haben keine Streitkräfte in der Stadt, nur Zivilisten und Menschen, die hier leben wollen", erklärte Kolychajew. Ein Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums gab an, die 290.000-Einwohner-Stadt sei unter "kompletter Kontrolle" russischer Soldaten. Die Stadt gilt wegen ihres Hafens als strategisch bedeutsam. Nicht verifizierbare Videos in sozialen Medien sollen Militärkolonnen im Stadtgebiet zeigen.
Aus der Hauptstadt Kiew wurden in den Nachtstunden erneut schwere russische Angriffe gemeldet. In sozialen Medien wurden Videos mehrerer heller Explosionen geteilt. Nach Angaben des staatlichen Bahnunternehmens Ukrsaisnyzja schlug bereits am Mittwochabend ein Geschoss südlich des Hauptbahnhofs ein und beschädigte das Gebäude leicht. Der Berater des Innenministeriums, Anton Herashchenko, teilte mit, es habe sich um Trümmer einer von der ukrainischen Luftwaffe abgeschossenen russischen Rakete gehandelt. Laut Herashchenko wurde auch eine Fernwärmeleitung beschädigt.
Mariupol im Südosten des Landes steht nach Angaben von Bürgermeister Wadym Boitschenko unter Dauerbeschuss. Die Stadt sei über 14 Stunden ununterbrochen angegriffen worden, sagte Boitschenko bei einer Pressekonferenz. Es sei der bislang härteste Kriegstag gewesen. Neben dem Hafen wurden laut Behördenvertretern auch zivile Ziele wie eine Geburtsstation und eine Schule angegriffen. Mariupol gilt als strategisch wichtig, weil die Hafenstadt zwischen der von Russland annektierten Halbinsel Krim sowie den von Russland destabilisierten sogenannten Volksrepubliken im Donbass liegt. Käme sie unter russische Kontrolle, würde das einen Zusammenschluss russischer Truppen erleichtern. Das britische Verteidigungsministerium erklärte, Mariupol sei bereits von russischen Truppen umstellt.
Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte in einer Videobotschaft, die Besetzer der Ukraine würden im Land keinen Frieden, kein Essen und keine ruhige Minute erhalten. Nur eine Sache würden sie von den Ukrainern bekommen: "Eine solch heftige Gegenwehr, dass sie sich für immer daran erinnern, dass wir das Unsere nicht hergeben." Innerhalb einer Woche habe die Ukraine Pläne durchkreuzt, die der "Feind" seit Jahren vorbereitet habe.