Englischer Fußball: Volle Stadien, müde Spieler
Frankfurter Rundschau
Der Boxing Day in England erfreut sich allergrößter Beliebtheit, vielleicht nicht bei den Protagonisten, denn selbst Omikron und Tuchel laufen ins Leere. Ein Kommentar.
Es hätte alles viel schlimmer kommen können mit diesem Boxing Day, und da möchte man nicht wissen, wie der Zorn Tuchels und Co. dann ausgefallen wäre im Königreich: Eingangs des 20. Jahrhunderts ist ja am 25. und am 26. Dezember gekickt worden, bei Lokalderbys zuweilen sogar vormittags und das Rückspiel am Nachmittag. Ging alles damals. Und schon damals war es ja auch ein großes Geschäft, am Geschenkschachtel-Tag hatten Arbeitende und Angestellte traditionellerweise von ihren Arbeitgebern ein Weihnachtspräsent erhalten, später ging’s zum Sport, zum Fußball, manchmal auch zum Pferderennen, immer in den Pub. Die Kassen klingelten, so oder so.
Sehr viel anders ist es hundert Jahre später nicht, der Boxing Day erfreut sich weiterhin allergrößter Beliebtheit, vielleicht nicht unbedingt bei den Protagonisten, aber die heilige Kuh wird nie geschlachtet, selbst Omikron und Klopp laufen ins Leere, eher kommen noch kalte Erbsen und Rosenkohl dazu. Und ein Stout.
Tatsächlich ist der Blick auf die Insel momentan verstörend. In einer Zeit, in der sich in England täglich mehr als 90 000 Menschen neu mit dem Virus infizieren, Fans alle drei Tage in Stadien zu pferchen, die müden und gerade von Covid-19 genesenen ausgelaugten Spielern zuschauen, zeugt nicht von allzu hohem Verantwortungsbewusstsein. Die Premier League profitiert in hohem Maße von den laschen Einschränkungen der britischen Regierung, die den heiligen Boxing Day nicht antasten wollte.