Ein gekreuzigter Marine-Chef
Frankfurter Rundschau
Mitten in der Ukraine-Krise fällt der deutsche Chef der Marine durch pro-russische Aussagen auf. Das hat nun Konsequenzen – ein Kommentar.
Das Militär versteht die Politik nicht. Und die Politik versteht das Militär nicht. Zumindest beim Militär gehört dieses Diktum seit langem zum Selbstverständnis – und beim deutschen Kommiss zum Selbstschutz nach seinen schuldhaften Verstrickungen in die Politik zwischen 1914 und 1945. Bei der Politik herrscht bevorzugt die Hybris vor, alles zu verstehen und also über alles richten zu dürfen. Im noch besten Fall ist dann vom Primat der Politik die Rede.
In leider zu vielen Fällen muss man Primaten in der Politik vermuten (wobei dieses Wortspiel äußerst unfair gegenüber unseren evolutionären Verwandten ist). Wenn alle aufeinander hören würden und nicht ständig meinten alles besser zu wissen, gäbe es vielleicht bestenfalls keine Ukraine-Krise oder es wären schlimmstenfalls längst Tonnen deutschen Militärguts in der Ukraine, besser noch komplette Kampfverbände auf dem Weg dorthin. Das Militär würde seinen Aufgaben nachkommen und die Politik würde dem nicht operativ im Weg stehen, den größeren strategischen Überblick behalten und flexibel umsteuern. Und das Militär würde flugs reagieren. Selbstverständlichkeiten einer funktionierenden robusten Demokratie mit einer selbstbewussten Parlamentsarmee. Das Fehlen ebensolcher Demokratien im Westen erlaubt es der Diktatur Russlands überhaupt erst, ihr existenzielles innenpolitisches Versagen mit außenpolitischen Abenteuern zu übertünchen.
Nun aber verhält es sich so, dass die Politik in Form des Bundeskabinetts glaubt, bestens zu verstehen, was Wladimir Putins politisch-militärische Absichten sind. Und in logischer, wenn auch fataler Konsequenz glaubt dann ein deutscher Vizeadmiral, knapp ein Jahr Chef der Marine, ungefragt in politischen Gewässern kreuzen zu können. Wobei man Kay-Achim Schönbach zu Gute halten muss, dass seine Manöver in einem Thinktank in Neu-Delhi stattgefunden haben. Als Thinktank definiert man eigentlich einen Raum, in dem die Gedanken frei sind. Und also nicht genauso bemessen werden wie – na, sagen wir mal: wie die Darstellung der politischen Linie durch die Bundesregierung. Kurz gesagt: Das Kabinett kann keinen Mist verzapfen, ein hoher Militär sollte keinen solchen verzapfen. Allerdings: Die Gedanken sind frei und so… Man muss dann auch aushalten, dass dumme Gedanken frei sind.
Und dumm waren die Erwägungen des Vizeadmirals Schönbach bezüglich des Respekts, den man Putin zollen sollte, zweifelsfrei. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hätte dafür ihren Admiral wie einen dummen Schuljungen runterputzen müssen – und vom Thron des Klassenprimus („Inspekteur“) entfernen. Dass Schönbach aber um seine Versetzung in den Ruhestand gebeten hat, geht auch völlig in Ordnung. Denn durch so eine Geste bewahrt ein Militär nicht nur seine Selbstachtung, sondern erkennt schlussendlich den Primat der Politik an – und sorgt also für Ruhe in der Truppe. Wenn da aber wer in der Truppe keine Ruhe geben wollte, dann ist er oder sie a) ein Dummkopf und b) jemand, der eh keine Ruhe bewahren, also politisch handeln wollte. Eine ganz schlechte Idee. (Peter Rutkowski)